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Der Trick der alten Tante

Der Trick der alten Tante

Titel: Der Trick der alten Tante
Autoren: Wolfgang Ecke
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Ihr Ernst sein.“
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und murmelte vieldeutig auf den mittleren Gemüsehändler herunter:
    „Sie gehen schlimmen Zeiten entgegen, Herr Vilsinger. Sie sollten sich wünschen, daß ich meinen Hund so schnell wie möglich finde.“
    „Ich wünsche es Ihnen“, sagte er und bedachte mich erneut mit einem seiner schnupfig-fisimatenten kleinen Lächeln.

    Dieter-Paul Vilsinger aus dem zweiten Oberstock schien sich über Nacht erkältet zu haben. Mit heiserer Stimme röchelte er wütend:
    „Hab’ schon gehört, daß Sie wieder im Haus sind. Geht’s noch immer um Josefs halbverrostete Gemüsekutschen?“
    Statt einer gesprochenen Erwiderung reichte ich ihm den Brief, den er unter Husten und Schnaufen buchstabierte. Ich sah förmlich die Bazillen an mir vorbeifliegen. Dann lachte er keuchend.
    „Ein Witz... ein köstlicher Witz. ,Einer, der es gut mit den Vilsingers meint.’“

    „Wer, glauben Sie, könnte es so gut mit den Vilsingers meinen, daß er meinen Hund Pinsel klaut?“
    „Woher soll ich das wissen? Ich wüßte keinen.“
    „Wie wär’s zum Beispiel mit Ihrem Bruder Vitus?“
    „Vitus? Der wirft dem Josef vielleicht einen matschigen Kürbis an den Kopf, aber so’n Brief? Der nicht. Und Erich? Der ist mehr fürs Schöngeistige. Außerdem hat der eine Hundeantipathie, und das Wichtigste...“ Er stockte erschrocken.
    „Was ist das Wichtigste?“ bohrte ich rasch nach.
    „Der wüßte gar nicht, wo er ihn verstecken sollte.“
    „Aber Sie wüßten das, was?“
    Er hustete einmal die Tonleiter rauf und runter und nickte dann:
    „Ja, ich wüßte das. Aber das bedeutet gar nichts, verstehen Sie, gar nichts, hau-hau-hau-hau-hau...“
    „Wir werden sehen, Herr Vilsinger. Ich werde mich mal mit der Polizei beraten. Die werden dann die ganze Gemüseplantage umstellen und mit riesenlangen Hundesonden nach meinem Pinsel suchen. Und eins-zwei-drei... Na ja, das wär’s fürs zweite!“
    Ich hörte den armen Dieter-Paul noch immer im Hausflur husten, als ich längst die Haustür erreicht hatte.
    Die Telefonzelle am Stoppelmarkt war gerade frei. Ich hinein, Hörer ab, Groschen rein und sieben-neun-vier-vier-drei-acht...
    „Hier spricht Schnuff.“
    „Ich komme gerade von Ihren Brüdern. Einer davon hat mich auf eine Idee gebracht: Wo könnten die meinen Hund versteckt haben? Gibt es in den Hallen einen Raum, der sich dafür eignet?“
    „Höchstens die alten Garagen am Althaus. Das ist draußen in Fischelgrün. Sagen Sie mal, Herr Pfiff, sind die Brüder sehr aufgebracht?“
    „Sie kochen vor Wut, und von Ihnen halten sie gar nichts.“
    „Da sehen Sie mal, was so ein bißchen gesunde Konkurrenz ausmacht. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, sozusagen im Interesse Ihres Hundes: Stellen Sie den weißen Karton ins Fenster, und wir blasen die Sache ab. Ihr Honorar bezahle ich natürlich trotzdem…“

    „Das will ich hoffen, Herr Schnuff! Und jetzt brauche ich noch zwanzig Sekunden Zeit.“
    „Wofür, Herr Pfiff?“
    „Zehn zum Überlegen, ob ich gleich die Polizei zu dem Hundeentführer schicke, oder ob ich selbst gehe, und zehn zum Ablassen meiner Wut.“
    „Ach, Sie kennen den Täter?“ — „Ganz recht! Sie, mein lieber Herr Schnuff, waren es! Und Sie müssen sich einen guten Text für die Antwort auf die Frage einfallen lassen: Wozu das ganze Theater? Freuen Sie sich auf meinen Besuch, bei dem ich nur noch eines hören will: die Wahrheit! Bis gleich, Sie braungesprenkelter Gemüsehändler...“
    Ich knallte den Hörer zurück und schluckte ein dreimeter-vierzig langes Schimpfwort magenabwärts.
    Wie ich draufgekommen bin, daß er meinen Pinsel entführt hat? Ganz einfach: Der weiße Karton brachte die unverschämte Wahrheit ans Licht. Ich hatte bei meinem ersten Anruf doch nur den Brief erwähnt, aber ihn nicht vorgelesen. Woher also konnte dieser krummbeinige Pfirsich- und Tomatenhändler von dem Karton wissen?

Ohrenzeuge wider Willen

    Es war einer jener wunderschönen Montage, an denen so gut wie gar nichts passierte... dachte ich.
    Pinsel lag in der Ofenecke und bearbeitete mit Inbrunst und lautem Gestöhn einen rosaroten Kalbsknochen, während ich mit nicht weniger großer Inbrunst am dritten Nachschlag „Kutscherglück“ löffelte. Kutscherglück ist ein Eintopf, der aus Kartoffelstückchen, Rindfleisch und viel Wurzelwerk besteht. 1
    Mitten in die Überlegung hinein, ob ich mir vielleicht noch eine Kelle nachschwappen sollte, klingelte es. Jawohl, beim
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