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Der Treffpunkt

Der Treffpunkt

Titel: Der Treffpunkt
Autoren: Eden Bell
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Ich fragte mich, ob die Fliesen sehr kalt waren. Er sah so entspannt aus, als hätte er gerade geschlafen und dabei geträumt. N atürlich hatte er nur eine Dusche genommen. Er war am ganzen Körper nass. Um seinen Schambereich hatte er ein schwarzes Handtuch gewickelt, das von Wasser und Schweiß ganz feucht war. Dieser Moment war zu groß für mich, zu skurril, zu unglaublich.
      „Können Sie mich verstehen?“ Ich redete mit ihm wie mit einem Schwerhörigen. Er sah ble ndend aus, unendlich männlich und stark, sehr grob, ungemein abenteuerlich. Seine kurzen, braunen Haare glänzten im matten Kerzenschein. Auf seiner Brust hatten sich einige Wassertröpfchen gesammelt, die an dem einen oder anderen Haar hängen blieben und dann in Richtung Bauchnabel rannen. Seine Beine waren wunderschön, symmetrisch, mit strammen Waden angereichert. Seine Haut war nicht von der Sonne gebräunt, sondern eher bleich. Sie erinnerte an ein vergilbtes Blatt Papier, das schon seit Jahrzehnten auf einem Dachboden liegt und verstaubt. Seine Gesichtszüge hätten nicht makelloser sein können. Alles schien berechnet, ausgemessen zu sein. Die Größe der Nase, das tiefe Grün der Augen, die herrlichen Ohren, der gerade, stolze Hals, der volle, freche Mund, dieser Mann war perfekt. Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte, als wäre er ein Sexobjekt.
      Die Szene hatte nichts Bedrohliches an sich. Ich wusste, dass es für all das eine einfache Erkl ärung geben musste. Es musste so sein. Oder?
      Ich warf mein Taschentuch in einen der metallenen Abfalleimer und ging zurück zur Holzbank. Doch der schöne Mann saß nicht mehr, er hatte sich auf den Fliesenboden gelegt.
      „Es ist so schön warm. Leg dich hin.“ Seine Stimme besaß ein sehr tiefes Timbre. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da lag er also und schmiegte sich an die Keramikplatten. Pr üfend hielt ich die Handfläche auf den Boden und stellte fest, dass dieser sehr warm war.
      „Eine Fußbodenheizung“, flüsterte ich.
      „Wer bist du?“ Ich fragte diesmal ohne die Höflichkeitsfloskeln. Ich wollte wissen, was hier passierte und woher er kam. Dies war doch kein öffentlicher Ort, an dem man sich traf wie in einer Sauna oder so. Dies war eine Schule! Es waren zu viele Fragen. Ich wollte mich beruhigen, hörte mein Herz aber umso lauter schlagen, je länger ich ihn ansah. Ich wollte seinen Namen wissen, wollte mich auf der Stelle von ihm berühren lassen. Warum konnte ich keinen klaren Gedanken fassen?
      „Bist du alleine hier oder gibt es noch mehr Verrückte wie dich? Was hast du hier verloren? Woher kommst du?“ Ebenso hätte ich mir die Luft sparen können. Ich redete gegen eine Wand. Der Schönling schwitzte, behielt aber seinen blassen Teint. Er strahlte eine Leidenschaft, eine Erotik aus, wie ich sie noch in keinem Roman und in keinem Film gefunden hatte.
      Er sah nicht aus wie ein Ausländer. Er klang auch nicht danach. Und doch hatte sein Aussehen etwas Fremdartiges, Unheimliches an sich. Es war so, als würde er aus einer anderen Zeit kommen.
      „Ich möchte, dass du gehst.“ Ich wollte so selbstsicher wie möglich klingen. Es sollte ein Befehl sein.
      In meinem Kopf sammelten sich die komischsten Fragen und Gedanken. Ich brauchte Antworten. Ich wollte hier weg. Der mysteriöse Kerl reagierte aber nicht auf meine Aufforderung. Statt dessen ging er zu einer der Toiletten und schloss die Tür hinter sich. Ich hörte das laute Prasseln von Urin. Ich wusste keinen Ausweg und ging einfach zum Ausgang. Sollte ich die Polizei rufen? Ich hätte Fred, den Hausmeister anrufen können, oder einen der Lehrer. Ich schnappte mir eine Rolle Papier aus dem Jungenklosett und ging in die Bibliothek, um aufzuwischen. Ich schaltete den PC aus und sperrte alle Türen zu. Irgendetwas machte mir große Angst. Eiligen Schrittes ging ich zum Auto und fuhr nachhause. Es war kein weiter Weg. Ich fröstelte und bekam Gänsehaut. Ich hasste dieses mulmige Gefühl. Vielleicht war er Mitglied eines Geheimbundes? Ich hatte mal einen Film mit Paul Walker gesehen, er hieß glaube ich „The Skulls“, da trafen sich junge Männer um Rituale auszuführen. Ich war mehr als durcheinander und ging sofort schlafen. Ich tat zwar kein Auge zu, aber wenigstens war ich in Sicherheit.
      Ich dachte mir einen Namen für den Fremden aus, weil ich vermutete, niemals seine wahre Identität kennen lernen zu können. Also nannte ich ihn Heaven, einfach weil er so schön wie
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