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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist
Autoren: Deon Meyer
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hören, was er mir erzählte. Ich wollte nur die Pistole anschauen, ich schaute die Pistole die ganze Zeit an, bis er
     fertig war und sie wieder in die Hülle steckte, dann erst konnte ich ihn ansehen. Ich wollte sicher sein, daß er sie wieder
     wegsteckte, daß er die Hülle schloß.«
    Sie sah ihn wieder an. Ihre Mundwinkel waren heruntergesunken, sie bildeten einen Halbmond.
    »Ich habe sie bei den Sachen meines Vaters gefunden. Zwei Stapel. Was ich aufheben wollte auf der einen Seite, was ich weggeben
     konnte auf der anderen. Da war so wenig, was ich aufheben wollte. Fotos von ihm und meiner Mutter. Seine Bibel, einige Unterlagen.
     Seine Uhr. Ich legte die Pistole in ihrer Hülle zuerst auf den anderen Stapel. Dann verschob ich sie. Noch einmal. Schließlich
     öffnete ich die Schnalle, und der Duft stieg auf. Ich erinnerte mich an meinen Großvater und legte sie zurück.«
    Ihr Blick wanderte durch die Dunkelheit, dann schaute sie ihn plötzlich wieder an.
    »Ich hätte nie gedacht, daß ich sie brauchen würde. Ich hatte sie fast vergessen.« Dann schwieg sie, ihre Hände um die Waffe
     entspannten sich, und er überlegte, ob er noch einmal versuchen sollte, sie ihr wegzunehmen.
    Sie schien zu vergessen, daß er anwesend war.
    Er sagte noch einmal ihren Namen, aber sie rührte sich nicht.
    »Hanna.«
    Sie zwinkerte langsam.
    »Warum?«
    Sie atmete aus, ein tiefer, langer, langsamer Atemzug, die Vorbereitung für ein letztes, alles umfassendes Seufzen.
    Dann sprach sie.

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    Drinnen lachten sie, immer lauter, immer wilder. Draußen war es ruhig und still, eine makellose Nacht. Der Mond schien hell
     vom Himmel, die Sterne klebten wie glitzernder Staub am Firmament, von Horizont zu Horizont. Es war wolkenlos, mild, warm.
     Sie stand auf der kleinen
Stoep
des Unterrichtsraumes. Unten murmelte der Fluß, der Mond ein gelbes Spiegelbild im Wasser. Nur noch ein Schlückchen Wein verblieb
     in dem Glas, das sie an ihre Lippen hob. Der Wein war sehr trocken, aber sie konnte die Sonne darin schmecken. Sie nahm einen
     winzigen Schluck, denn sie erlaubte sich nur ein Glas. Vielleicht noch ein halbes, wenn sie auf ihr Zimmer zurückkehrte, als
     Belohnung für die gute Arbeit. Es war keine einfache Gruppe gewesen. Die Unterschiede in Persönlichkeit, Motivation, Intelligenz
     und Engagement hatten ihr viel abverlangt, mehr als sonst. Dennoch war es ein Erfolg gewesen. Alle hatten etwas Neues über
     sich herausgefunden, alle waren ein wenig gewachsen – manche nur ein kleines bißchen, das mußte sie zugeben, aber sie hatte
     schließlich nicht das Potential vorgegeben.
    Vielleicht noch ein oder zwei Jahre, dann würde sie größere, bessere Dinge tun können. Sie betrachtete das College als eine
     Sprosse auf der Leiter, eine kurze Pause, aber sie empfand keine Reue. Slabbert bekam viel für sein Geld. Er bekam Integrität
     und Einsatz.
    |438| Noch ein oder zwei Jahre.
    Sie nahm den letzten Schluck Wein, ließ ihn um ihre Zunge schmeicheln, ließ ihn langsam durch ihren Hals rinnen, freute sich
     auf ihr Zimmer. Die anderen teilten sich zu zweit die Zimmer, nur Carina und sie verfügten über das Privileg von Einzelzimmern.
     Darauf hatte sie bestanden – ihre Zeit war zu wertvoll. Ihr Buch und ihre Musik warteten auf ihrem Zimmer auf sie. Heute abend
     würde sie den
Troubadour
hören, vielleicht die ersten beide Akte. »Soviel Tod?« hatten sie gefragt, sogar zu Verdis Lebzeiten. »Aber ist das Leben
     nicht der Tod?« hatte der Maestro entgegnet. Sie lächelte den Mond an, wandte sich um, schob die Glastüren auf und ging hinein.
    Sie saßen um einen Tisch herum, redeten lautstark, jeder mit einem Glas vor sich. Nienaber blies sich auf, während MacDonald,
     Ferreira und Coetzee zuhörten. Wilson, ihr bester Schüler, den sie heimlich ein wenig liebgewonnen hatte, saß etwas abseits
     der Gruppe. Wallace und Carina Oberholzer sprachen am Ende des Tisches miteinander.
    Außer ihr trank offenbar niemand trockenen Weißwein. Sie fand die Flasche mühelos zwischen den vollen und leeren Bierflaschen,
     dem offenen Brandy und Whisky, den Literflaschen mit Mixgetränken und dem großen Eimer voll Eis. Sie goß sich noch genau ein
     halbes Glas ein.
    »Ich entschuldige mich«, sagte sie, als die anderen aufschauten, weil sie neben dem Tisch stehenblieb.
    Die anderen protestierten. Sie sah den Alkoholfilm, der sich über ihre Augäpfel gelegt hatte.
    »Ich gehe mit«, sagte MacDonald. Die anderen
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