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Der Traurige Polizist

Titel: Der Traurige Polizist
Autoren: Deon Meyer
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schwieg. »Bitte, seien Sie
     vorsichtig.« Er hörte die Sorge in der Stimme des Mannes, und er erfuhr in diesem Augenblick etwas über de Wit. »Ich werde
     vorsichtig sein.« Er hatte es zu sich gesagt. Nicht arrogant, sondern voll sanfter Entschlossenheit.
    Jetzt hörte er eilige Schritte auf dem Holzboden hinter der Tür, die sich öffnete, dann stand sie dort.
    »Sie sind früh.« Ihr rosafarbener Mund lächelte. Sie hatte Lippenstift aufgetragen, nur ein wenig. Er hatte sie noch nie Lippenstift
     tragen sehen. Sie hatte ihr Haar zu einem Zopf zurückgebunden, ihr Hals war nackt und weiß und wehrlos, das schwarze Kleid
     schulterfrei. Er hielt das Bild mit der Kamera in seinem Hirn fest, bis ihr Ausdruck sich veränderte, als sie sah, daß er
     kein Jackett trug und keine Krawatte, sie sah den Staub auf seinem Hemd, die aufgekrempelten Ärmel.
    Wortlos hielt er ihr das Foto hin. Ihr Lächeln verschwand, |434| ihr Gesicht wurde ausdruckslos. Sein Blick suchte in ihrem nach einer Erklärung. Sie nahm ihm das Foto ab und sah es an. Er
     sah, wie der Schatten über sie fiel, ihre Augen schlossen sich, öffneten sich, sie starrte immer noch das Bild an. Dann ließ
     sie es auf den polierten Holzboden segeln und wandte sich ab, sie nahm ihn nun kaum noch wahr.
    Sie ging durch den Flur. Er sah ihre Schultern, die hübschen Schultern, deren Knochen und Muskeln ihm so unendlich perfekt
     erschienen. Die Schultern, auf denen schwere Lasten ruhten. Sie ging langsam, würdevoll, den Rücken ihm zugewandt, als existierte
     er gar nicht. Er folgte ihr, ein, zwei, drei Schritte auf dem Holzboden, dann stand er in einem Flur, in dem das Licht brannte.
     Ihr Duft in seiner Nase, ein zartes, weibliches Parfüm. Sie war aus dem Flur verschwunden. Er blieb, wo er war, er zögerte.
    Er hörte ein Geräusch in der Stille des Hauses, ein Flüstern der Bewegung. Dann kehrte sie zurück, ging durch den Flur, hielt
     die Waffe in den Händen, der schlanke Griff in ihrer rechten Handfläche, die schmalen Finger der linken Hand hielten den langen
     Lauf. Sie trug sie wie eine Opfergabe, die Pistole wirkte im Verhältnis zu ihrem schmalen Körper noch riesiger. Sie blieb
     vor ihm stehen, zwischen ihnen ein Schritt Abstand. Sie hielt die Pistole, als wäre deren Gewicht für sie zu groß. Eine Ecke
     des Magazins drückte den schwarzen Stoff ihres Kleids an ihren Bauch. Sie hatte den Kopf gesenkt, als wäre er ein Henker.
     Die Augen geschlossen.
    Er konnte seinen Geist nicht daran hindern, das Puzzle zu vollenden. Es war ein mechanischer Vorgang, unwillkürlich, unumkehrbar,
     selbst wenn er es anders gewollt hätte. Aber er war zu leer. Er stand da, während die Räder in seinem Kopf langsam ineinandergriffen,
     eines nach dem anderen. Hier ist |435| der Fall der Staatsanwaltschaft, Euer Ehren – unerschütterliche Beweise, endlich, der Abschluß, das Ende der Jagd.
    »Warum?«
    Sie rührte sich nicht.
    Er wartete.
    Eine fast unmerkliche Bewegung ihrer Brust, der Atem flach, ein und aus. Sonst keine Bewegung.
    Er ging vorsichtig auf sie zu, langsam, er legte seine Hand auf ihre Schulter, spürte ihre kalte Haut. Seine große Hand legte
     sich über ihr Schulterblatt, zog sie näher, führte sie durch den Flur. Sie kam kraftlos mit ihm, wie Treibgut. Er schob sie
     nach rechts, in einen Raum, in dem zwei große Sessel standen, das Blumenmuster farblos in der Dämmerung. Der Teppich dämpfte
     seine Schritte. Die Gemälde an den Wänden dunkle Rechtecke. Er ließ sie in einem der Sessel mit den weichen Kissen Platz nehmen,
     sie hatte die Augen wieder offen, in der Dämmerung. Sie saß aufrecht, hielt die Mauser in ihrem Schoß mit beiden Händen. Er
     sank vor ihr auf die Knie.
    »Hanna.«
    Sie zwang ihre Augen in seine Richtung.
    Er streckte die Hand aus, er wollte ihr die Waffe wegnehmen, aber ihr Griff war für die Zartheit seines Herzens zu stark.
     Er zog seine Hand wieder zurück.
    »Hanna.«
    Ihre Lippen teilten sich. Sie sah ihn. Ihre Mundwinkel verkrampften sich, als wollte sie lächeln. Sie schaute sich das Ding
     in ihren Händen an.
    »Es ist so eigenartig«, sagte sie so leise, daß er sie kaum hören konnte. »Ich hatte immer solche Angst vor dieser Waffe.
     Wenn Großvater sie aus der Lederhülle zog. Sie sah so böse aus. So groß und häßlich. Und der Geruch … Wenn er |436| die Hülle öffnete, konnte ich sie riechen. Sie roch nach Tod – ein alter, toter Duft, obwohl er sie reinigte. Ich konnte nicht
     einmal
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