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Der Traum des Schattens

Der Traum des Schattens

Titel: Der Traum des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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amüsieren, denn ihr machte es nicht viel aus, gegen Adrienn zu verlieren.
    » Hm.« Mattim beugte sich über das Brett. » Du solltest deinen Läufer einsetzen, Hanna, der steht da bloß unnütz herum.«
    Er stützte das Kinn in die Hände und starrte auf das Brett.
    So konnte er die nächste halbe Stunde ausharren, dabei war es nicht mal seine Partie.
    » Es macht mir nichts aus, wenn du für mich spielst«, meinte sie. » Tu dir keinen Zwang an. Aber ihr solltet eine Zeit festlegen, sonst sitzt ihr hier wieder die halbe Nacht.«
    » Keine Sorge, ich entscheide mich schon noch«, murmelte er.
    » Habt ihr die Räder zu Schrott gefahren? Muss ich jemanden verarzten?« Frau Bartók tastete nach ihrer Brille.
    » Nein, alles glimpflich verlaufen.«
    Sie strich sich über das graue Haar. Ihre Hände zitterten; offenbar machte das heiße Wetter ihrem Kreislauf zu schaffen.
    » Ich hole Ihnen ein Glas Wasser«, bot Hanna an.
    » Ja bitte, das wäre lieb von dir.« Adrienn erhob sich mit wackeligen Knien. » Ich gehe jetzt ins Bett. Wenn du mir kurz helfen würdest, Mattim?«
    Hanna war schon halb in der Küche, als sie sich noch einmal umdrehte und den beiden nachsah. Mattim stützte die Greisin auf dem Weg in ihre kleine Stube. Komisch eigentlich. So schwach war sie doch sonst nicht? Hoffentlich überlebte sie diesen heißen Sommer. Kommissar Bartók wäre untröstlich darüber, seine Mutter zu verlieren, und hoffentlich würde er es nicht Mattim anlasten, weil Adrienn dessen Pflege so viel Kraft gekostet hatte.
    Auch in der Küche waren die Vorhänge bereits zugezogen. Hanna hob den Stoff an und lugte hindurch, um einen letzten Blick auf die Sonne zu erhaschen. Aprikosenfarbenes Licht fiel herein, bis ins Wohnzimmer, und ließ Mattims blonde Haare aufleuchten.
    Plötzlich schrie die alte Frau auf und machte einen Satz nach vorne. Dann packte sie wieder Mattims Arm. » Ich bin gestolpert, halte mich besser fest.«
    Mit dem Fuß stieß sie ihre Zimmertür auf.
    In diesem Moment wusste Hanna Bescheid. » Nicht, Mattim!«, rief sie. » Sie ist eine von ihnen!«
    Er reagierte sofort, schüttelte die alte Frau hastig ab und sprang zurück. Hanna riss die Vorhänge zur Seite, und der Sommerabend drängte herein, all das letzte verschwenderische Glänzen und Glühen eines heißen Tages.
    » Nein!«, kreischte Adrienn. » Mach sie wieder zu!«
    Mattim wich vor ihr zurück, während Hanna den Stoff fallen ließ.
    » Was ist hier los?«, fragte sie.
    Die Alte richtete sich zu voller Größe auf. » Nichts«, sagte sie. » Nichts Wichtiges… bis auf die Tatsache, dass ich einen kleinen Auftrag auszuführen habe.« Sie streckte befehlend den Arm aus. » Gib mir deine Hand, Mattim.«
    » Wohin sollen Sie mich bringen?«, fragte er.
    » Und warum?«, rief Hanna. » Warum?«
    » Weiß ich es? Komm jetzt.« Sie war nun nicht mehr schwach, nicht mehr hinfällig. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm, versuchte seine Hand zu packen. » Nur über die Schwelle. Mehr nicht. Warum widersetzt du dich? Habe ich dir etwa nicht das Leben gerettet? Kannst du nicht auch einmal etwas für mich tun?«
    Er wich weiter zurück.
    » Mach die Haustür auf!«, rief Hanna. » Schnell!«
    Mattim zögerte, die Hand schon auf dem Griff. » Dann stirbt sie wahrscheinlich.– Sie haben kein Blut getrunken, oder?«
    Adrienn war zu keiner vernünftigen Antwort fähig. » Ich muss meinen Auftrag ausführen.« Die Fragen und Rufe schienen an ihr vorbeizurauschen. » Meinen Auftrag.«
    » Ich will Ihnen nichts zuleide tun«, sagte Mattim. » Gehen Sie in Ihr Zimmer, und schließen Sie die Vorhänge und die Tür, dann kann Ihnen nichts geschehen.«
    » Auftrag«, flüsterte sie. » Mein Zug, verstehst du? Schwarz ist am Zug.« Wieder streckte sie die Hände nach ihm aus.
    » Lass dich ja nicht von ihr beißen!«, warnte Hanna. Sie stürmte voran und versuchte, die Alte von ihm wegzureißen. » Pass auf!«
    Die Greisin war unerwartet stark, es war kaum möglich, sie festzuhalten, während sie sich in Hannas Griff wand.
    Da öffnete Mattim endlich die Tür. Adrienn kreischte auf und sprang zurück, wahnsinnig vor Angst– doch so rasch das Licht auf der Schwelle aufflackerte, so schnell war es auch wieder verschwunden.
    Die Sonne war untergegangen. Abenddunkel legte sich weich über das Land.
    » Komm!«, sagte Mattim.
    Zusammen schubsten sie die Alte zurück und rannten aus dem Haus.
    » Wie könnt ihr mir das antun!«, schrie diese. » Wartet! Mein Auftrag! Jetzt
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