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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition)
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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unbedingt bescheiden hinzu. Dann schwieg er und sah sie einfach nur an.
    Joe wünschte sich, mit ihren Händen seine Haut, mit ihren Lippen seinen Mund, mit ihren Gedanken seine Seele und mit ihrem Herz das seine zu berühren.
    Er schien ihre Gedanken zu erraten. Mit Mittel- und Zeigefinger strich er ihr über das Gesicht, um danach die Linien ihrer Augenbrauen, ihrer Nase, ihrer Wangenknochen und ihres Mundes nachzuzeichnen. Dann endlich küsste er sie.
    Ihre Lippen schienen sich schon lange zu kennen. Ihre Zungen liebkosten sich, spielten miteinander, bis Joe nicht mehr denken, sondern nur noch küssen wollte. Bei jedem Kuss spürte sie, dass sie noch viel, viel mehr wollte, auch wenn sie eine leidenschaftliche Küsserin war. Ihre Brustwarzen waren hart wie kleine Kieselsteine. Wenn er noch eine Sekunde länger gewartet hätte, sie zu berühren, hätte Joe selbst die dünnen Träger ihres Kleides heruntergeschoben. Er kostete ihren Körper, als wäre er ein Nachtisch des Himmels. Joes Lust wurde so übermächtig, dass sie diesmal nicht singen, sondern nur schreien wollte. Alf hatte mit seiner »Süßigkeit-und-Männer-Theorie« verdammt Recht!

Drei
    Es waren deutlich mehr Frauen als Männer auf dieser Vernissage. Und alle himmelten Konstantin unübersehbar an. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen sprach er souverän über die Arbeit der jungen Künstlerin Anna Bauer. Mit ihren riesigen Farbfotografien toter Körper zählte die Rothaarige im schwarzen Kleid zu einer der weiblichen Neuentdeckungen der Kunstszene. Für Joe völlig unverständlich. Konstantin hingegen war überzeugt, dass ihre Werke in fünf Jahren gut das Doppelte wert sein würden.
    In ihrem schwarzen Rollkragenpullover stand Joe trotz der kurzen Ärmel der Schweiß auf der Stirn. Sie war so aufgeregt, als müsste sie sich an Konstantins Stelle vor diesen vielen Menschen präsentieren. Zwei Monate, fünfzehn Tage und sechs Stunden war ihre Beziehung jetzt alt. Dennoch war Joe quasi inkognito hier. Sie hatte sich Konstantins Meinung angeschlossen, dass ihre Gefühle nur ihnen gehörten. Sie waren kein Thema für Kunden, Käufer oder Presse. Euphorischer Beifall signalisierte das Ende seiner Rede. Das vegetarische Buffet mit gebratenem Kräutertofu, Gemüsecurry und Sprossensalat wurde endlich eröffnet.
    »Schweinebraten mit Kruste wäre mir lieber«, murmelte Joe vor sich hin, während sie sich beeilte, das Buffet zu erreichen. Sie hatte den ganzen Tag ein neues Badezimmer in einem Einfamilienhaus installiert. Als sie sich mit gefülltem Teller wieder an ihrem Stehtisch positioniert hatte, was ihr ein Gefühl von Sicherheit verlieh, beobachtete sie die Gäste. Alle schienen einander zu kennen, und alle gehörten zu einer höchst eigenen Spezies Mensch. Sie lauschte dem Gespräch zweier Blondinen am Nachbartisch. Die beiden bewunderten gegenseitig ihre neuesten, sündhaft teuren Prada-Taschen, die man jetzt unbedingt besitzen musste, nur weil irgendein Hollywoodstar so einen roten Beutel spazieren trug.
    Joe fand das albern. Solche Menschen hatte sie in ihrer geerdeten Welt noch nie näher kennen gelernt. Zwar waren die Gesichter der älteren Frauen erstaunlich frei von Falten, doch ihre Hände und auch der Hals straften die erschwindelte Verjüngung Lügen. An diesen Stellen konnte der Zahn der Zeit trotz Schönheitsoperationen und Botox-Spritzen nicht überlistet werden.
    Während sie im Sprossensalat stocherte, fiel ihr eine ältere Journalistin auf, die Konstantin mit unverhohlener Bewunderung interviewte. Für das gemeinsame Foto legte ihr Traummann sogar seinen Arm um die füllige Taille dieser Zeitungsfrau mit dem gestylten Lockenkopf. Plötzlich wünschte sich Joe, in der Zeitung von morgen doch etwas über sich, die Frau an seiner Seite, zu lesen.
    »Konstantin hat einfach immer den richtigen Riecher.« Die Journalistin lächelte und stellte ihren Teller mit Tofukreationen direkt neben Joes Teller. Sie hatte diesen lauernden Ausdruck in den Augen, der bei Journalisten eine Berufskrankheit ist.
    Joe nickte.
    »Ich habe Sie noch bei keiner Ausstellung gesehen. Kennen Sie den Galeristen persönlich?«
    »Ja.« Joe gab sich Mühe zu lächeln, allerdings gelang ihr Lächeln nicht annähernd so breit wie das der Journalistin, die sich als Monika Treschniewski, Kunst- und Theaterkritikerin einer der größten Boulevardzeitungen, vorstellte.
    »Ein toller Mann, nicht wahr?«
    »Ja. Herr Wastian hat Geschmack.« Joe ärgerte sich über diese
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