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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition)
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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an einen Totenkopf denken lassen. Und als die Nagelstylistin Joes Hände begutachtet hatte, hatte sie exakt das gesagt, was Joe von Konstantin auf keinen Fall hören wollte: »Oh Gott! Die sehen ja grausam aus!«
    »Kann man da nichts machen?«
    Nachdem sie dreimal tief geseufzt hatte, hatte besagte Dame Joes Nägel mit Kunststoff-Tips verlängert, mit Gel überzogen und auch noch »french« manikürt, sodass sie jetzt so makellos waren, wie ein echter Nagel kaum wachsen konnte. Jedenfalls keiner von Joes Nägeln.
    Joe lächelte, weil sie sich an ihren Händen nicht satt sehen konnte, schlüpfte aus ihren neu erstandenen Pantoletten und zog die Gummistiefel an, die sie hinter dem Sitz deponiert hatte. Noch im Auto sitzend, kritzelte sie die Telefonnummer des Bauträgers in ihren schwarzen Kalender. Sie wusste, dass man gewitzt sein musste, um in diesen harten Wirtschaftsjahren schwarze Zahlen in der Firmenbilanz zu schreiben. Entschlossen stieg sie aus, stapfte mit knappem Jeansrock und gelben Gummistiefeln durch den Dreck zum Bauwagen. Wenn es um neue Aufträge ging, wusste Joe sehr wohl ihre Weiblichkeit einzusetzen, auch wenn Gummistiefel nicht gerade sexy waren. Dafür war sie hier die einzige Frau.
    Die Tür des Bauwagens stand offen.
    »Betreten der Baustelle verboten«, blaffte ein Mann mit natürlicher Autorität, die ihn sofort von den anderen Männern abhob, die an vier Schreibtischen über Bauplänen brüteten. Er hatte sie schon von weitem kommen sehen.
    »Für mich ist das nicht verboten«, sagte Joe mit einem selbstbewussten Lächeln. Sie reichte ihm eine Visitenkarte und sprach von der Zuverlässigkeit ihrer Firma. Dabei redete sie so kompetent und lächelte so charmant, dass der Mann, der sich als verantwortlicher Oberbauleiter Franz Wagenscheidt vorstellte, nicht anders konnte, als ihr zuzusichern, ihr die Ausschreibung für beide Gewerke zukommen zu lassen. Mit einem jovialen Lächeln überreichte er ihr seine Visitenkarte. »Schicken Sie mir bitte eine Referenzliste zu.«
    »Die habe ich dabei.«
    Ein überraschter Blick traf sie.
    Joe öffnete ihre Umhängetasche und drückte Herrn Wagenscheidt die Liste und zusätzliches Informationsmaterial in die Hand. »Rufen Sie mich an!«
    Joe wusste, dass sie gepunktet hatte, als sie durch den Matsch zurück zum Auto stapfte. Wenn ihr Angebot auch nur einigermaßen stimmte, würde die Firma Benk den Auftrag hundertprozentig bekommen. Es würde ein großer und höchst lukrativer Auftrag werden. Über ihrem Stolz hatte sie völlig vergessen, dass sie bald keine Sanitärinstallateurin mehr sein würde.
    Es vibrierte durch das Leder ihrer Umhängetasche. Das Dröhnen eines Presslufthammers war so laut, dass Joe das Klingeln ihres Handys nicht hören konnte.
    Er war am Telefon.
    Nur konnte sie nichts verstehen.
    Joe hasste diesen Arbeiter mit seiner lärmend stampfenden Maschine. Am liebsten hätte sie sie ihm entrissen. Joe rannte in Richtung ihres Autos. Nur weg vom Dröhnen und Hämmern! Und dann schlug ihr Herz einen Salto, als Konstantin sie fragte, ob er sie am Samstag um acht Uhr zum Abendessen einladen dürfte.
    Joe strahlte noch, als das Gespräch längst beendet war und sie wieder in ihrem Kastenwagen saß. » If you don't know me by now, you will never get to know me«, trällerte sie, als sie den Motor anließ. Aber der Wagen bockte. Sie wunderte sich, stieg aus und entdeckte große Ballen Isoliermaterials hinter ihrem Wagen, die ein Wegfahren unmöglich machten. Joe schickte sich an, den ersten schweren Ballen hinter ihrem Auto wegzuziehen. Plötzlich baumelte der imposante Haken eines Baukrans so dicht über ihrem Kopf, dass sie erschrak. Erst jetzt bemerkte sie Kran und Kranführer, den sie sofort als Übeltäter ausmachte. Und der Typ da oben lachte so unangreifbar in seinem Häuschen, dass Joe total sauer wurde. »Idiot!«, rief sie nach oben, aber er konnte sie ja nicht hören. Wild gestikulierte sie mit den Armen, zeigte ihm an, dass es an der Zeit wäre, dieses dumme Spiel zu beenden.
    Der Mann zeigte sich unbeeindruckt. Er ließ nur den riesigen Haken aus Stahl mal rauf und dann wieder runter, um sie weiter zu necken und zu ärgern.
    Da waren Joe ihre kostbaren Fingernägel plötzlich egal. Wie ein Mann zerrte sie jeden einzelnen Ballen vom Auto weg. Aber das reichte ihr nicht. Sie zog die Ballen noch direkt zwischen einen LKW und Anhänger. Die Haut an ihren Händen riss, die Fingernägel litten sekündlich, aber daran dachte Joe nicht
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