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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt
Autoren: Arno Strobel
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anzurichten. Alles nur, weil sich das Element Hund aus einem kleinen Ereignis verändert hatte.
    Hans dachte über diese Dinge nach, weil es öfter vorkam, dass er die Ereignisse veränderte, indem er eines oder mehrere ihrer Elemente beeinflusste. Nicht etwa, dass er Hunde mit Fußtritten auf die Straße beförderte. Das würde ihm im Traum nicht einfallen, denn er war sehr tierlieb. Es waren eher menschliche Elemente, die er aus einer durchaus möglichen Abfolge von Ereignissen vorab entfernte.
    Er hatte seinen Wagen erreicht. Als er hinter dem Steuer saß, hielt er einen Moment inne und fragte sich, wann er auf
sie
entscheidenden Einfluss würde nehmen müssen. Sie war das Element, das der Doktor ›Jane Doe‹ nannte.
    »Jane«, murmelte Hans und dachte an den Trakt.

4
    »Sag mir, wo du wohnst, Kindchen. Ich bringe dich nach Hause. Du wirst dich mit deinem Prinzen wieder vertragen.«
    Sibylle öffnete die Augen und sah zu der Frau herüber.
    Trotz der sehr gewöhnungsbedürftigen Haarfarbe und der unmöglichen Brille war sie ihr sympathisch.
    Sibylle erklärte, wo sie wohnte, und die Frau nickte: »Kenn ich. Ich heiße übrigens Rosemarie Wengler«, sagte sie und sah dabei so lange grinsend zu ihr herüber, dass sie ihrem Vordermann aufgefahren wäre, hätte Sibylle nicht aus den Augenwinkeln den schnell näher kommenden Schatten bemerkt und »Vorsicht!« gerufen.
    Mit einer Vollbremsung kamen sie nur wenige Zentimeter hinter dem blauen Golf zum Stehen, und Rosemarie redete weiter, als sei nichts geschehen.
    »Meine Liebhaber dürfen aber Rosie zu mir sagen.« Sibylle sah zu ihr herüber. »Und du natürlich auch.«
    Obwohl Sibylle sich schrecklich fühlte und die Sorge um ihren Jungen ihr fast den Verstand raubte, musste sie lächeln.
    »Ich heiße Sibylle«, sagte sie. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir geholfen haben.«
    Rosie winkte ab. »Ach, papperlapapp. Wir jungen Mädels müssen doch zusammenhalten, oder?« Nach einem kurzen Seitenblick lachte sie und sagte: »War ein Scherz.«
    Während der restlichen Fahrt redete Rosie fast pausenlos, und obwohl Sibylle die meiste Zeit nur mit einem Ohr zuhörte, erfuhr sie Einzelheiten über Rosies Liebhaber, Hitzewallungen nach den Wechseljahren und eine Boutique in der Regensburger Altstadt, in der es tolle Kleider für kräftige Mädchen gab, wie sie es ausdrückte. Dabei stellte sie Sibylle keine einzige Frage zu ihrer Person, worüber sie sehr erleichtert war.
    Schließlich hielten sie vor dem schmucken, weißen Einfamilienhaus, das Johannes und sie zwei Jahre zuvor von einem Paar gekauft hatten, das die Raten nicht mehr zahlen konnte, nachdem der junge Mann seinen Job verloren hatte.
    Sibylle betrachtete die Fassade durch die Seitenscheibe und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte.
Johannes. Lukas.
Sie hoffte, dass die beiden zu Hause waren. Das Geräusch von Papier, das zerrissen wurde, ließ sie herumfahren.
    »Hier!« Rosie hielt ihr einen kleinen Zettel entgegen, den sie offenbar aus dem Notizblock gerissen hatte, der auf ihrem Schoß lag. »Meine Telefonnummer. Wenn er dich ärgert und du wieder einmal das Bedürfnis hast, halbnackt einen Ausflug zu machen, ruf mich an. Ich ziehe mich dann auch aus, und wir machen zusammen eine Sause.«
    Sibylle nahm den Zettel. »Sie haben –«
    »Du.«
    »Ich danke dir, Rosie.«
    Sie öffnete die Tür und wollte schon aussteigen, als Rosie sagte: »Warte!« Umständlich und unter lautem Ächzen griff sie hinter sich, zog einen dunklen Mantel in Fischgrätmuster vom Rücksitz und hielt ihn Sibylle hin. »Den habe ich immer im Auto liegen. Für alle Fälle. Ist zwar nicht ganz passend für die Jahreszeit, aber besser als das da.« Sie deutete auf das Krankenhaushemd. Als Sibylle ihr den Mantel abnahm, fragte Rosie: »Welche Schuhgröße hast du?«
    »38, warum?«
    Statt einer Antwort beugte sie sich nach vorne, kramte etwas im Fußraum herum und hielt ihr gleich danach ihre Schuhe hin. Es waren flache, türkisfarbene Mokassins, die bequem aussahen. »Hier, die sind zwar Größe 40, aber das sollte gehen. Besser zu groß als zu klein.« Sibylle zögerte. Rosie drückte die Schuhe auf den Mantel. »Nun nimm schon. Ich kann auch barfuß fahren. Und jetzt geh zu deinem Mann.«
    Sibylle nahm Rosies Hand und hielt sie für einen Moment fest. Dann stieg sie aus, bückte sich und zog die Schuhe an die nackten Füße.
    Den Mantel knöpfte sie trotz der sommerlichen Temperaturen zu. Er war ihr mindestens drei
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