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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten
Autoren: George Pelecanos
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brauche diesen Theorie-Scheiß nicht mehr, ich kann jetzt richtig einsteigen. Bevor er sich zum Polizeidienst meldete, hatte er noch eine Weile lang in den Tag hineingelebt, sich in Bars herumgetrieben, gekifft, ein bisschen gekokst und den Mädchen mit den Netzstrumpfhosen nachgestellt. Er hatte dabei die ganze Zeit das Gefühl gehabt, etwas aus dem Tritt geraten zu sein. Heute Abend – in Uniform, mit Waffe und Dienstmarke, neben sich einen Typen, über den er sich vor ein paar Jahren noch lustig gemacht hätte und der jetzt seinesgleichen war – kam ihm das im Nachhinein wie die große Freiheit vor.
    »… und dann lässt sie die Bombe platzen. Erzählt mir, sie steht auf mich und so, bla bla, aber sie hat auch noch was mit einem von den Redskins.«
    »Joe Jacoby?«, fragte Ramone mit einem Seitenblick zu Holiday.
    »Ach was, doch nicht mit diesem Kleiderschrank.«
    »Mit wem denn?«
    »Mit einem von den Receivern. Und es ist nicht Don- nie Warren, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Du willst sagen, sie trifft sich mit einem schwarzen Receiver.«
    »Genau, mit einem von denen«, bestätigte Holiday. »Du weißt ja, die sind scharf auf weiße Mädchen.«
    »Wer ist das nicht?«, erwiderte Ramone.
    Über das Rauschen der Funkgeräte hinweg hörten sie, wie Cook einem seiner Leute auftrug, den Reporter von Channel 4, der gerade unter dem Absperrband hindurchschlüpfen wollte, von der Leiche fernzuhalten. »Nichtsnutziger Wichser«, sagte Cook so laut, dass der Reporter es hören musste. »Das ist doch der, der für den Mord an dieser Zeugin unten in Congress Park verantwortlich ist. Erzählt vor laufender Kamera, dass eine junge Dame eine Aussage machen wird…«
    »Ich muss ehrlich zugeben, seit sie mir das gesagt hat, hab ich ein Problem«, sagte Holiday, der Cook im Auge behielt, ohne jedoch seine Geschichte zu unterbrechen.
    »Weil es ein Schwarzer ist.«
    »Ich will nicht lügen, aber es fiel mir schwer, die Sache wieder zu vergessen. Ich meine nachher, als ich mit ihr in der Kiste war.«
    »Was war los? Unzulänglichkeitsgefühle?«
    »Na, hör mal. Football-Profi, dazu noch ein Schwarzer…« Holiday hielt die flache Hand dreißig Zentimeter vor seinen Schritt. »Der Typ muss ja so ein Ding haben.«
    »Das ist bei der NFL Zulassungsvoraussetzung.«
    »Hä?«
    »Das Gebiss wird auch untersucht.«
    »Ich sag doch nur, ich bin eben bloß Durchschnitt. Da unten, meine ich. Versteh mich nicht falsch, wenn erst mal Leben reinkommt, kann er sich wirklich sehen lassen, aber wenn er nur so rumhängt -«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Tja, zu wissen, dass mein Mädchen an dem Schwanz von diesem Typen hängt… Da komm ich einfach nicht drüber weg, das wird nie mehr so sein wie vorher.«
    »Und jetzt? Hast du Schluss gemacht?«
    »Bei dem Hintern? So eine kann ich doch nicht einfach abschreiben. Niemals.«
    Während sie sich unterhielten, hatte sich eine Frau unter dem Absperrband hindurch der Leiche des Mädchens genähert. Sie warf einen Blick darauf und erbrach sich heftig ins Gras. Sergeant Cook nahm seinen Hut ab, strich mit einem Finger über die Krempe und atmete tief durch. Dann setzte er den Stetson wieder auf, rückte ihn zurecht und ließ den Blick über den Schauplatz schweifen. Er wandte sich an den Mann, der ihm am nächsten stand, einen weißen Detective namens Chip Rogers, und zeigte auf Ramone und Holiday.
    »Sag den weißen Jungs da, sie sollen gefälligst ihren Job machen«, befahl Cook. »Hier kotzt jemand rum und versaut mir meinen Tatort… Wenn die beiden Herren nicht in der Lage sind, die Leute fernzuhalten, dann treib welche auf, die es können. Und das meine ich ernst.«
    Ramone und Holiday stellten sich sofort mit dem Rücken zu dem gelben Absperrband in autoritärer Pose auf. Holiday stand mit gespreizten Beinen da, die Daumen in seinen Uniformgürtel gehakt, völlig unbeeindruckt von Cooks Worten. Ramone jedoch biss die Zähne zusammen – dass der Cop vom Morddezernat ihn einen weißen Jungen genannt hatte, machte ihn wütend. Er hatte diese Bezeichnung manchmal in der Gegend außerhalb von D.C. gehört, wo er aufgewachsen war, und recht häufig beim Baseball- und Basketballspielen in der Stadt. Das gefiel ihm nicht. Er wusste, dass es abfällig gemeint war, und ihm blieb nichts anderes übrig, als es einzustecken, doch das wurmte ihn erst recht.
    »Was ist mit dir?«, fragte Holiday
    »Was soll mit mir sein?«, entgegnete Ramone.
    »Hast du in letzter Zeit mal eine
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