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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten
Autoren: George Pelecanos
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schmunzeln. Verdammt, selbst in einem Verhör wegen Mordverdachts, selbst unter den Neonröhren der Vernehmungszelle drängte es nahezu jeden Mann, über seine Schuhgröße zu lügen oder Erklärungen dafür vorzubringen.
    »Okay«, sagte Green, die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet. »Diese Nikes, die Sie jetzt tragen… Sie sagen also, die hatten Sie gestern nicht an?«
    »Nikes hatte ich gestern auch an. Aber nicht diese, nein.«
    »Welches Modell haben Sie denn getragen, William? Ich meine vor allem: Welche Nikes hatten Sie an, als Sie gestern Ihre Exfrau in ihrem Apartment besucht haben?«
    Tyree runzelte die Stirn. »Das waren die Twentys.«
    »Ja? Die hat mein Sohn auch.«
    »Sind ziemlich beliebt bei den Kids.«
    »Die Twentys in Schwarz?«
    »Mh-mh. Ich hab die in Weiß mit Blau.«
    »Und wenn wir nun in Ihre Wohnung gehen, finden wir da ein Paar weiße Twentys Größe neuneinhalb?«
    »Die sind nicht mehr in meiner Wohnung.«
    »Wo sind sie denn?«
    »Ich hab sie in eine Tüte gepackt, zusammen mit anderen Sachen.«
    »Mit was für anderen Sachen?«
    »Mit dem T-Shirt und der Jeans, die ich gestern anhatte.«
    »Das T-Shirt und die Jeans, die Sie trugen, als Sie Ihre Exfrau besucht haben?«
    »M-hm.«
    »Was für eine Tüte war das?«
    »Eine von Safeway.«
    »Eine Einkaufstüte mit dem Aufdruck Safeway?«
    Tyree nickte. »Aus Plastik.«
    »Haben Sie sonst noch etwas in diese Tüte gesteckt?«
    »Außer meinen Kleidern und den Sneakers?«
    »Ja, William.«
    »Ich hab auch noch ein Messer reingetan.«
    Ramone im Überwachungsraum verzog keine Miene, aber sein Kollege Anthony Antonelli neben ihm beugte sich vor. Bo Green in der Vernehmungszelle tat dasselbe. William Tyree wich nicht zurück, als Green ihm so nahe kam. Er saß bereits mehrere Stunden mit dem Detective in dieser Zelle und hatte sich an seine Gegenwart gewöhnt.
    Green hatte das Gespräch langsam eingefädelt, hatte mit Tyree geplaudert, dabei jedoch immer wieder vage das Thema von Jacqueline Taylors Ermordung gestreift. Green und Tyree waren auf derselben Highschool gewesen, Ballou, wenn auch nicht gleichzeitig. Green hatte Tyrees älteren Bruder Jason gekannt, einen vielversprechenden Basketballspieler in der Highschool- Liga, der inzwischen bei der Post arbeitete. Sie hatten über ihr Viertel gesprochen, wie es früher gewesen war, darüber, wo man in den 80ern die besten Fischsandwiches bekam, dass die Musik damals eine positivere Stimmung vermittelte und dass die Eltern sich mehr um ihre Kinder gekümmert hatten oder, wenn sie es nicht konnten, die Nachbarn eingesprungen waren.
    Green, ein Bär von einem Mann, jedoch mit sanften Augen, nahm sich bei Vernehmungen immer viel Zeit, und dadurch, dass er den Stadtteil und mit der Zeit auch viele Familien kannte, gewann er nach und nach die Sympathien der Verdächtigen in dieser Vernehmungszelle, insbesondere deren aus einer bestimmten Generation. Am Ende sahen sie ihn als Freund und vertrauten sich ihm an. Ramone leitete zwar die Ermittlungen im Fall Jacqueline Taylor, aber die entscheidende Vernehmung hatte er Green überlassen. Und jetzt kam Green anscheinend zur Sache.
    »Was für ein Messer war das, William?«
    »Ein großes, eins aus meiner Küche. Für Fleisch, wissen Sie.«
    »Ein Fleischermesser?«
    »Ja, so was in der Art.«
    »Und Sie haben das Messer und die Kleidung in die Tüte gesteckt, weil …?«
    »Weil Blut an dem Messer war«, sagte Tyree in einem Ton, als erklärte er einem Kind etwas völlig Offensichtliches.
    »Und Ihre Kleidung und die Schuhe?«
    »Da war auch Blut dran.«
    »Was haben Sie mit der Tüte gemacht?«
    »Kennen Sie den Popeyes unten an der Pennsylvania, in der Nähe von der Kreuzung zur Minnesota?«
    »M-hm?«
    »Da ist ein Schnapsladen gegenüber …«
    »Penn Liquors.«
    »Nee, weiter unten. Hat einen jüdischen Namen.«
    »Sie meinen Saul’s?«
    »Genau der. Ich hab die Tüte in den Müllcontainer in der Seitengasse geworfen.«
    »Hinter dem Saul’s?«
    »M-hm. Letzte Nacht.«
    Green nickte beiläufig, als hätte ihm gerade jemand das Ergebnis eines Basketballspiels mitgeteilt oder ihn darauf hingewiesen, dass er seine Autoscheinwerfer angelassen habe.
    Ramone öffnete die Tür des Überwachungsraums und rief nach Detective Eugene Hornsby, der draußen im Großraumbüro des Violent Crime Branch neben Detective Rhonda Willis an einem Schreibtisch lehnte und halb auf dessen Kante saß.
    »Wir haben was«, verkündete Ramone, woraufhin Hornsby und
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