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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten
Autoren: George Pelecanos
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saß und die Eiswürfel in seinem Cocktailglas klimpern ließ.
    »Das Zeug heißt Axe«, erklärte Holiday. »Die Kids benutzen das.«
    »Du bis’ aber kein Kid mehr, Hombre.« Jerry Fink, aufgewachsen in der Gegend der River Road und Absolvent der Walt Whitman High, versuchte seine bürgerliche Herkunft durch eine betont saloppe Redeweise wettzumachen. Er war klein, untersetzt, trug auch in geschlossenen Räumen eine getönte Brille und schmückte sich mit einer Dauerkrause, die er seinen »Jewfro« nannte. Fink war achtundvierzig.
    »Erzähl mir was Neues.«
    »Ich wollt ja nur wissen, warum du dich mit so ’nem Mist einsprühst.«
    »Ganz einfach: Als ich heute Morgen aufgestanden bin, hatte ich mein eigenes Deo gerade nicht zur Hand, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Aaah, jetzt kommt’s«, bemerkte West.
    Holiday grinste und zuckte mit den Schultern. Er war mit seinen einundvierzig Jahren noch immer rank und schlank wie in den Zwanzigern, bis auf den kleinen Bauch, den er sich über die Jahre angetrunken hatte. Seine Bekannten nannten ihn das »Holiday-Geschwür«.
    »Erzähl uns eine Gutenachtgeschichte, Daddy«, forderte Bonano ihn auf.
    »Okay«, begann Holiday. »Ich hatte gestern einen Job, einen Klienten aus NYC. Investor im großen Stil, interessierte sich für ein Unternehmen, das demnächst an die Börse geht. Ich habe ihn zu einem Bürogebäude draußen im Netplex kutschiert, ein paar Stunden gewartet und ihn dann wieder in die Stadt gebracht, zum Ritz. Ich bin also gestern Abend gerade auf dem Heimweg, da bekomm ich auf einmal Durst und mache im Royal Mile in Wheaton halt, um mir einen Kurzen zu genehmigen. Gleich beim Reinkommen fällt mir diese Brünette auf, die da mit ein paar anderen Frauen zusammensitzt. Schon einige Kilometer auf dem Zähler, aber durchaus attraktiv. Wir hatten Blickkontakt, und ihre Augen sprachen Bände.«
    »Was haben ihre Augen denn gesagt, Doc?«, fragte West gelangweilt.
    »Sie sagten, ich bin scharf auf was Hartes.«
    Das wurde mit Kopfschütteln quittiert.
    »Ich bin nicht gleich rangegangen, sondern hab gewartet, bis sie mal aufstand, um pinkeln zu gehen. Ich musste ja erst sehen, wie sie untenrum gebaut ist, versteht ihr, damit ich mich da nicht am Ende auf einen Horrortrip einlasse. Na, ich konnte also einen Blick riskieren und fand sie okay. Sie hatte wohl schon Kinder bekommen, aber der Schaden war nicht nennenswert.«
    »Komm zur Sache, Mann«, drängte Bonano.
    »Nur Geduld. Ich warte also, bis sie vom Klo zurückkommt, und trenne sie von ihrer Herde. Kostet mich nur zwei Miller Lite. Sie hat ihr Bier noch nicht mal ausgetrunken, da sagt sie schon, lass uns gehen.« Holiday klopfte die Asche von seiner Zigarette. »Ich dachte mir, ich geh mit ihr auf den Parkplatz gegenüber, lasse mir einen blasen oder so.«
    »Und da heißt es immer, es gibt keine Romantik mehr«, sagte West.
    »Aber davon wollte sie nichts wissen«, fuhr Holiday fort, der Wests Bemerkung geflissentlich überhörte. »‹Im Auto mach ich’s nicht›, sagt sie. ‹Ich bin ja nicht mehr siebzehn.) Allerdings nicht, denk ich mir, aber, hey, ich werd mir doch so einen Hintern nicht entgehen lassen.«
    »Auch wenn sie nicht mehr siebzehn war«, warf Jerry Fink ein.
    »Wir gehen also zu ihr nach Hause. Sie hat zwei Kinder, einen Jungen im Teeniealter und ein kleineres Mädchen. Die beiden sitzen vor dem Fernseher und drehen sich kaum um, als wir reinkommen.«
    »Welche Sendung haben sie gesehen?«, fragte Bonano.
    »Was spielt das für ’ne Rolle?«, entgegnete Holiday.
    »Macht die Geschichte besser. Dann kann ich es mir besser vorstellen.«
    »Es war eine von diesen Law and Order- Shows«, sagte Holiday. »Ich hab das Tamtam erkannt, das da immer zwischen den Szenen kommt.«
    »Erzähl weiter«, forderte Fink ihn auf.
    »Okay«, fuhr Holiday fort, »also sie sagt zu den Kindern, dass sie nicht zu lange aufbleiben sollen, weil sie am nächsten Tag Schule haben, und dann nimmt sie mich an der Hand, und wir gehen rauf in ihr Schlafzimmer.«
    In diesem Moment klingelte das Handy von Bob Bonano, dem »Fachmann für Küche und Bad«, das vor ihm auf dem Tresen lag. Er warf einen Blick auf die Nummer und ließ es klingeln. Wenn es ein neuer Kunde gewesen wäre, hätte er den Anruf angenommen. Kunden, die er bereits über den Tisch gezogen hatte, konnten warten. Die meisten Anrufe ignorierte er. Bonanos Firma hieß Home Masters, aber Jerry Fink nannte sie »Home Bastards«.
    »Du hast sie
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