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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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jetzt nicht länger bleiben. Unmöglich. Ich habe eine wichtige Verabredung. Ich rufe Sie einfach im Büro an. Ist das in Ordnung für Sie?« Dieser letzte Satz klang so förmlich und in gewissem Sinne unschuldig, dass Gerald lächeln musste.
    Wendelin stürzte zur Tür hinaus. Gerald trank seine heiße Schokolade, die mittlerweile kalt geworden war.

21
    »Was hältst du von der Geschichte?«, fragte Gerald am Mittwochmorgen. Batzko war in spürbar besserer Laune, weil Tanja sich zu einem Abendessen am kommenden Wochenende hatte einladen lassen.
    »Ich glaube ihm. Wendelin ist nicht der Täter, gerade weil er den Brief geschrieben hat. Immerhin wissen wir, dass Baumann, aus welchem Grund auch immer, diese Klamotten bereits vor seiner Ermordung getragen hat.«
    Gerald nickte. »Es erscheint mir absurd, dass es da draußen irgendwo eine gewalttätige Anarchogruppe gibt mit Wendelin Scharnagl als Wortführer. Müssen wir nicht das LKA informieren?«
    Batzko legte die Hände hinter den Kopf und grinste. Er war wirklich, Tanja Hillenbrand sei Dank, geradezu überschwänglich guter Laune. »Weißt du, bei denen im Archiv liegen so viele verrückte Pamphlete, Flugblätter und vermeintliche Bekennerschreiben, dass es auf dieses eine nicht mehr ankommt. Das wird irgendwann von selbst Staub ansetzen. Scharnagl und sein Sohn tun mir irgendwie leid. Die haben schon genug zu schultern. Ich will nicht auch noch übereifrige Kollegen vom LKA auf die hetzen, die doppelt so viel Wirbel machen, nur weil der Bürgermeister durch den Kakao gezogen wird.«
    »Wir stehen an einem toten Punkt«, sagte Gerald deprimiert.
    »Apropos toter Punkt: Wie sieht es übrigens bei dir mit Plan A und Plan B aus?«
    Gerald sah mit gequältem Gesichtsausdruck zur Decke. »Dass du einfach mal meine Privatsphäre respektierst, kann ich offenbar nicht von dir erwarten.«
    »Kannst du nicht. Ich habe nämlich eine neue Theorie entwickelt.«
    »Kannst du nicht einfach die Klappe halten und dich auf den Fall konzentrieren?«
    »Du hörst jetzt zu. Meine Theorie lautet folgendermaßen: Es gibt Situationen, in denen Entscheidungen notwendig sind, auch wenn sie vielleicht schmerzlich sein können. Der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du lieber selbst alle Lasten tragen willst, bevor du einen anderen verletzt. Bei mir und bei jedem psychisch gesunden Menschen ist es umgekehrt.«
    Gerald war zu überrascht, um zu antworten. Auch, weil er spürte, dass Batzkos simple Formel der Wahrheit entsprach.
    »Und genau deshalb bin ich lebensfähig und du nicht. Begreifst du das? Ich repräsentiere das Überleben, du den Untergang.«
    Gerald nahm eine beliebige Akte von seinem Stapel und schlug sie auf. Er dachte daran, dass er Anne versprochen hatte, sie am späten Nachmittag zu besuchen.
    Als Anne die Haustür öffnete, erkannte Gerald auf den ersten Blick, dass es ihr bereits etwas besser ging. Sie sah nicht mehr so schrecklich mager aus, die Augen wirkten lebhafter, und sie war sogar dezent geschminkt. Sie scheint den tiefsten Punkt hinter sich gelassen zu haben, dachte er erleichtert und erwiderte ihre kräftige Umarmung. Sie schloss erst die Haustür hinter sich, dann küsste sie ihn.
    »Ich bin so froh, dass du kommen konntest.«
    Gerald nickte nur stumm. Es muss ein Ende haben, dachte er verzweifelt. Wann ist sie stark genug, dass ich es ihr sagen kann? Als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, veränderte sich ihre Stimme, wurde schmaler und leiser. »Gehen wir nach oben?«
    Sie nahm seine Hand und ging voran. In ihrem Zimmer setzten sie sich auf das Bett. »War es ein anstrengender Tag?«
    »Keine Schießereien, falls du das meinst.«
    Sie lachte, drehte sich ihm zu und strich mit ihrem rechten Zeigefinger über seine Lippen. Gerald dachte daran, dass er nie mit ihr über den Fall Baumann gesprochen hatte. Sie wusste nicht einmal, dass es sein Fall war. Er wollte sie nicht zusätzlich belasten. Und sie hatte ihn bisher noch nicht danach gefragt.
    »Es geht mir langsam besser, weißt du. Es ist immer noch schrecklich. Und es gibt so viel zu organisieren und zu regeln, aber alles wird seinen Weg gehen. Ich stehe zumindest finanziell nicht unter Druck. Ich kann jetzt alles auf mich zukommen lassen.«
    »Willst du nicht eine Reise machen? Etwas Abstand zu allem gewinnen.« Er sprach nicht aus, dass diese Reise auch ihm helfen würde, Abstand zu ihr zu gewinnen.
    »Das ist gar kein schlechter Gedanke. Im Gegenteil, er gefällt mir richtig.« Sie stand auf.
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