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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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zu hoch auf der Stirn, wodurch sein Gesichtsausdruck immer etwas Überraschtes an sich hatte.
    Er wirkte ehrlich begeistert, etwas Substantielleres zu tun, als gelangweilte Studenten in Bodenerosion zu unterrichten. Ich erzählte ihm von der Region, die mich interessierte, und er lächelte dieses wissende Lächeln eines Experten. Er erklärte mir, er besäße nicht nur große Karten vom Flussbecken des Lang Suan, sondern außerdem Luftaufnahmen, die mir gefallen könnten. Er begann mit einer Beschreibung der Region in der Altsteinzeit, und wir zogen uns in einen kleinen Seminarraum zurück, wo er seine Karten auf einem Tisch ausbreitete.
    »Könnten Sie mir vielleicht zeigen, für welches Terrain Sie sich genau interessieren?«, sagte er.
    Es war gar nicht einfach ohne die gekennzeichneten Grundstücksgrenzen, aber ich konnte Old Mels Land von der Biegung des Flusses und den Uferformationen vom wat Ny Kow her lokalisieren. Professor Woot legte eine Folie auf die Karte, und mit einem Filzer zeichnete ich die beiden Grundstücke ungefähr ein.
    »Aha!«, sagte er. Es war dieser Sherlock-Holmes-Moment, in dem alles klar wird. »Soll ich Ihnen was sagen? Das ist eine faszinierende Gegend. Die meiste Zeit war der Großteil davon Nong Nam , so etwas wie Marschland. In der Regenzeit sickerte Wasser aus dem Fluss hinein, sodass es drei Monate lang ein Sumpf war. Der Grund dafür, dass die Parzellen, von denen Sie sprechen, eine festgelegte, gemeinsame Grenze haben, liegt darin, dass hier früher ein Seitenarm des Hauptflusses verlief.«
    Er führte mich zu den Vermessungsfotos der Regierung.
    »Die hier«, sagte er, »wurden Anfang der Sechzigerjahre aufgenommen. Hier sieht man deutlich, wie sich ein Fluss durch etwas zieht, das damals größtenteils Wildnis war. Wenn dieser Arm des Lang Suan über die Ufer trat, stand dort alles unter Wasser.«
    »Aber wie kann ein ganzer Fluss verschwinden?«, fragte ich.
    »Manchmal geschieht es auf natürliche Weise durch Erosion«, sagte er. »Im Fall des Lang Suan jedoch war das eine Folge des Ausbaggerns. Die größeren Fischfirmen wollten ihren Fang auf direktem Weg in die Stadt Lang Suan transportieren, damit er schneller nach Bangkok verschifft werden konnte. Der Sand und Schlick, den sie ausgebaggert haben, wurde am Ufer abgeladen. Es gab kein Verantwortungsgefühl. Wenn genug Geld im Spiel ist, kann man mit der Umwelt machen, was man will. Daran hat sich nichts geändert, wie ich leider sagen muss.«
    »Und der Schlick hat die Mündung des Flussarms blockiert?«
    »Genau. Er ist ausgetrocknet.«
    »Und plötzlich stieg das Exsumpfland im Wert.«
    »Auch das ist richtig. Und ich bezweifle, dass es Zufall war. Rechtzeitig ein kleiner Tipp, und schon kauft man spottbilliges Marschland.«
    Das ergab keinen Sinn.
    »Aber da ist kein ausgetrocknetes Flussbett zwischen den beiden Parzellen, die ich meine«, sagte ich.
    »Natürlich nicht. Jetzt nicht. Nicht mehr seit der Sturmflut von 1978.«
    »Sturmflut?«
    »So ähnlich wie ein Unterwasser-Mini-Tsunami, der mit dem Wind kommt. Allerdings entsteht keine große Wasserwelle, sondern eine Druckwelle, die vom Meeresgrund aufwärtsdrängt, sobald sie die Küste erreicht. Manche Sturmfluten können das Meer um drei Meter oder mehr ansteigen lassen. Das Wasser steigt zwar allmählich, aber dramatisch. Während der Großen Flut von 1978 lag der Wasserstand des Meeres lange über dem des Flusses. Das Wasser, das den Fluss hinunterwollte, traf auf das Meer, das in die andere Richtung drückte. Es gab fürchterliche Überschwemmungen und einen Mahlstrom von Schlamm und Geröll. Oben in Lang Suan verloren die Menschen ihre Häuser, und viele wurden von der Flut fortgerissen. Die Katastrophe dauerte nicht länger als eine Stunde, aber zweihundertsechzig Hektar waren überflutet. Wie immer gab es einen landesweiten Aufschrei. Sobald das Wasser zurückgegangen war, machten die Landbarone Druck auf die Behörden, dass neu ausgebaggert und das Ufer befestigt werden sollte. Ingenieure sollten sicherstellen, dass außergewöhnliche Umstände wie 1978 nicht wieder ihre Investitionen gefährden konnten. Bis man den neuen Uferdamm gebaut und das Land entwässert hatte, war der alte Fluss komplett verschwunden, aufgefüllt mit Schlamm und Schlick.«
    Also war das Land, das Chainawat an Old Mel verkauft hatte, einst ein Flussbett gewesen, ein Seitenarm des Lang Suan. Aber welcher Vorteil lag darin, es ihm zu verkaufen? Auch diese Antwort kam von meinem
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