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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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Da jedoch sowohl Fotoapparat als auch Videokamera zerstört wurden, als sie von der vorstehenden Aussichtsplattform abprallte, konnte ihr eigentlicher Tod nicht aufgezeichnet werden, was für ihre Fans sicher eine große Enttäuschung war. Doch Liveaufzeichnung oder nicht – Mika Mikatas Tod war so farbenfroh wie ihre Morde.
    Meine Artikel über die Ermittlungen und die daraufhin erfolgte Entlarvung der Mörderin wurden sehr gut aufgenommen. Ich hatte sogar eine Doppelseite in der Zeitschrift Matichon Weekly . Mir wurden Vollzeitstellen angeboten, die man nicht ausschlagen konnte. Ich bekam Anrufe von Chefredakteuren bei Tageszeitungen, neben denen die Mail wie Altpapier aussah. Oh, ich dachte darüber nach. Ich hatte schlaflose Nächte. Oft genug wählte ich alle Ziffern ihrer Telefonnummern, bis auf die letzte. Aber … na ja, wir mussten uns um unseren Laden kümmern. Unsere verschlafene Provinz, die vorübergehend vom Kuss des Todesengels aufgeweckt worden war, hatte beschlossen, die Schlummertaste zu drücken und weiterzuschlafen. Ich las weniger Zeitungen und nahm mehr Makrelen aus. In Ermangelung mieser Machenschaften konnte ich mehr Zeit und Mühe in unsere Ferienanlage investieren. Die Kundenfrequenz im Laden war zu einem Schnitt von sieben Leuten pro Tag in die Höhe geschnellt. Mit Gaews Hilfe hatte Arny die durchschnittliche Zimmerbelegung einer fünftägigen Berechnungsphase von eins auf eins Komma sieben erhöht, und zwar durch die schlichte Hinzufügung eines Schilds: LETZTE UNTERKUNFT UND VERPFLEGUNG AUF DEN NÄCHSTEN 100 KILOMETERN. Es stimmte nicht so ganz, oder besser gesagt: Es war eine dreiste Lüge, aber Reisende, die dumm genug waren, sich spätabends auf diesen abgelegenen Straßen her-
umzutreiben, würden uns nachträglich sicher nicht verklagen. Außerdem hatte Arny an Lonely Planet geschrieben, dass sie uns in ihre 2010er Ausgabe aufnehmen sollten. Das war ungefähr so, als würde ich an Mister Pulitzer schreiben und ihn bitten, mich auf die Liste zu setzen, aber ich bewunderte den Mumm meines Bruders.
    Und ich? Ich kochte. Ich fing etwas an, das man eines Tages als Garten bezeichnen würde. Und ich fütterte die Hunde. Ja, das war ein Plural. Reisbällchen kam durch. Eines Tages trat er um sich wie eine kleine Kuh, kam zu sich wie ein wiedergeborener Köter und hat es seither kaum gewagt, in die Welt des Schlafs zurückzukehren. Vermutlich war mein Knöchel das Erste, was er gesehen hat, als er zu sich kam, denn er bleibt ihm so nah, dass ich nach jedem Gang durch den Garten Sabber von der Hose wischen muss. Es ist ein wenig jämmerlich, aber liebenswert, und ich muss zugeben, dass ich mich hin und wieder dabei erwische, wie ich ihn an mich drücke, aber nur solange er in der Reha ist. Gogo betrachtet mich nach wie vor finsteren Blicks und wahrt ihre Sphäre.
    Was habe ich noch gemacht? Wohl nichts. Oh, doch. Ich bin zu einer Lösung gekommen, was das Geheimnis vom vergrabenen VW-Bus angeht. Die Welt hat nichts davon erfahren, und die Story bekam nicht einmal eine Fortsetzung in Thai Rat . Leser haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, und die Mühe, die Geschichte noch einmal zu erzählen, war den Redakteuren zu viel. Doch die Diva in mir hat angefangen, daraus ein Drehbuch für Clint zu machen. Es wird sensationell. Obwohl die Polizei den Fall aufgegeben hatte, war ich entschlossen, ihn am Leben zu erhalten. Ich hatte alles an Flussdiagrammen und Brainstormings und Beweismittelprüfungen vorgenommen und stand mit dem Rücken zur Wand. Es gab nur eine Sache, die ich sicher wusste: dass das Pärchen im vergrabenen VW-Bus nicht das Pärchen war, das man gebeten hatte, gegen Tan Sugit auszusagen. Allerdings gab es eine eindrucksvolle Liste von Dingen, die ich nicht wusste. Ich wusste nicht, wohin der erste VW-Bus verschwunden war, nachdem er kurz auf dem Polizeiparkplatz gestanden hatte, wer den zweiten VW-Bus gemietet hatte und wohin er gefahren war, was Tante Chainawat damit zu tun und wieso sie das kleine Grundstück an Old Mel verkauft hatte, wie der VW-Bus in die Erde gekommen war und alles Mögliche andere. Denn um die Wahrheit zu sagen, wusste ich in diesem Stadium nichts. Ich kann nicht sagen, dass es mir keine Sorgen bereitete, aber mir waren buchstäblich keine Spuren mehr geblieben, die ich verfolgen konnte. Sissi hatte das Internet durchsucht und war in die private Korrespondenz des einen oder anderen hochrangigen Polizisten eingetaucht, hatte jedoch nichts Entscheidendes
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