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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe
Autoren: Wolfgang Swat
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gereizt. Sich unterzuordnen fällt ihm schwer. Letztlich ist er an diesem Charakterzug bei der Armee gescheitert, obwohl er gern Offizier geworden wäre, weil ihn »die schöne Uniform« gereizt hat. Burghard ist intelligent, was sich unter anderem im Abschluss der zehnten Klasse mit dem Prädikat »gut« ausdrückt. Als der Gutachter mit ihm Einzelheiten des Tatgeschehens bespricht, wühlt ihn das vorübergehend auf. Zweimal unternimmt er so etwas wie Selbstmordversuche. Doch die leichten Schnittverletzungen an den Unterarmen nach dem Einschlagen von Fenster-
    Scheiben sind viel zu oberflächlich für ernstzunehmende Suizidabsichten. Burghard ist aus medizinischer Sicht betrachtet nicht geistes- oder bewusstseinsgestört. So gesehen liegen keine Gründe für eine Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit während der Tat vor. Dennoch hält ihn der Gutachter für vermindert schuldfähig. Er habe völlig abnorm reagiert, als Kerstin Klingner gedroht hatte, sein Verhalten dem Buchhalter der PGH zu melden. Diese Reaktion sei durch seine ungesteuerte Wesensart und die Alkoholisierung noch verstärkt worden. Zudem sei er in sexueller Erregung gewesen und somit die Tat zum Teil triebbestimmt. Der Gutachter kommt zu der Erkenntnis, dass Burghard in der Summe aller Faktoren während des Mordes in seiner Entscheidungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
    Die Staatsanwaltschaft Cottbus klagt Bernd Burghard im Januar 1979 wegen Mordes an Kerstin Klingner an. Eine verminderte Schuldfähigkeit, wie vom Gutachter angenommen, wird in der Anklageschrift verneint.
    Nach einer zweitägigen Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht, die einen Monat später stattfindet, schließt sich der erste Strafsenat dieser Auffassung an. Wie vom Staatsanwalt beantragt, verurteilt das Gericht den Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Das Oberste Gericht der DDR weist dessen Berufung zurück und bestätigt das Strafmaß.
    Im November 1990 wird Bernd Burghard wegen guter Führung auf Bewährung aus dem Strafvollzug entlassen und kehrt zunächst nach Bad Liebenwerda zurück.

DIE SCHWANGERSCHAFTSLÜGE
    Seit dem 3. August 1975 scheint es, als habe das unstete Leben von Horst Napalke endlich seinen Ruhepunkt gefunden, an dem er Wärme und Geborgenheit empfängt, die ihm in seinen bisherigen 19 Jahren auf dieser Welt so sehr gefehlt haben. Horst Napalke, der im Mai 1956 in Leipzig geboren wurde, ist ein her-umgestoßenes Kind. An seine leibliche Mutter kann er sich kaum erinnern, denn die Ehe der Eltern geht früh in die Brüche. Nur für kurze Zeit bleibt er mit seinen beiden Geschwistern bei der Mutter. Der Vater ist inzwischen in den Armen einer anderen Frau gelandet, einer Ärztin, die er später zur Ehefrau Nummer zwei nimmt. Als die leibliche Mutter Horst in ein Heim abschieben will, nimmt der Vater den kleinen Jungen zu sich. Doch die »neue Mutti« hat nichts für das »Kuckuckskind« übrig, zumal es vom Unglück verfolgt wird. Beim Spielen auf der Straße gerät er unter ein Auto. Der Vierjährige wird am Kopf und am Unterleib schwer verletzt, liegt zwei Wochen in einem Leipziger Krankenhaus. Mit sechs Jahren wird er eingeschult, doch kaum ist die Zuckertüte nach Hause getragen, fesselt ihn eine schwere Scharlach-Erkrankung ans Bett. Den mehrwöchigen Lernrückstand kann der schmächtige Horst nicht aufholen. Er wird aus-und ein Jahr später wieder eingeschult. Die erste Klasse schafft er mit Mühe, die zweite muss er als Sitzenbleiber wiederholen. Schule ist für ihn zu dieser Zeit nur noch Last, ohne Erfolgserlebnisse und ohne Anerkennung. Die versucht sich das Kind auf andere Art und Weise zu erheischen. Es stört den Unterricht, neckt Klassenkameraden und hält sie vom Lernen ab.
    Zu dieser Zeit ist Ehefrau Nummer zwei beim Vater bereits Geschichte. Auf der »Suche nach einer neuen Mutter«, wie es Horst empfindet, verschlägt es Vater und Sohn Napalke nach Kühlungsborn an die Ostsee. Dort kommt er in eine Sonderschule und wieder in eine neue Familie. Denn Vater Gerhard hat inzwischen Ehefrau Nummer drei an Land gezogen. Auch zu der ist das Verhältnis des umhergestoßenen Kindes gespannt. Es fühlt sich erneut unnütz wie ein »fünftes Rad am Wagen«. Auf Ehe Nummer drei folgen die Ehen Nummer vier, fünf und sechs des Vaters, verbunden mit Umzügen nach Berlin, Bernau, Vogelsang bei Neubrandenburg, Gerswalde bei Templin und schließlich nach Cottbus. Horst, das Anhängsel seines lebens-und liebeslustigen
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