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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe
Autoren: Wolfgang Swat
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dabei zärtlich einen Kuss auf die Wange. Vor der Wohnungstür stößt er gegen die offenstehende Tür des Sicherungskastens, so dass es im ganzen Haus scheppert. Beim Betreten der Wohnung unterhalten sich die Verlobten, wobei Frank Bärle bedingt durch seine Schwerhörigkeit und den Alkohol noch lauter spricht als gewöhnlich. »Ich kümmere mich um Claudius, du kannst Abendbrot machen«, verteilt Christiane die Arbeit. Sie zieht sich mit dem Säugling ins Kinderzimmer zurück, das die junge Familie bewohnt, und wickelt ihr Baby. Frank geht in die Küche, macht Schranktüren und Besteckkasten auf und zu, schneidet mit der Maschine Brot, klappert mit Tellern und Besteck, öffnet sich eine Flasche Bier. In der Küche und im Korridor brennt das Licht. Christianes Mutter Monika erwacht von dem Lärm und der »Festbeleuchtung in allen Räumen« und macht ihrer Tochter und dem zukünftigen Schwiegersohn heftige Vorwürfe. »Was macht ihr denn um diese Zeit für einen Krach«, wettert sie los. »Das geht dich überhaupt nichts an«, schnauzt Frank zurück. Monika kommt dadurch erst richtig in Fahrt. »Müsst ihr euch mit dem Kind so lange rumtreiben, und musst du dich immer besaufen?«, geht sie verbal auf den Freund ihrer Tochter los. Das Gezeter wird so laut und dauert so lange, dass davon sogar Mitbewohner zwei Stockwerke tiefer munter werden.
    Der Streit der Erwachsenen eskaliert, als Frank im Kinderzimmer Bier aus der mitgebrachten Flasche verschüttet. Nun platzt auch Christiane der Kragen. »Ich habe diese ewigen Streitereien satt. Jetzt ist Schluss, hau endlich ab«, herrscht sie ihren Verlobten an. Der versteht die Welt nicht mehr. »Was wollt ihr eigentlich von mir«, reagiert er gereizt. Er packt Christiane an den Oberarmen, schüttelt sie durch, schreit: »Sag, dass du das nicht ernst meinst, sag es«. Wutentbrannt stößt er sie mit aller Kraft auf die Liege. Dadurch schlägt die junge Frau mit dem Kopf gegen die Wand. Sie weint vor Schmerz und aus Verzweiflung, weil der bis vor kurzem schöne Abend so anders als erhofft endet.
    Mit den Worten »Du bist wohl verrückt geworden«, mischt sich die Mutter ein und versetzt dem Schwiegersohn eine Ohrfeige. Dann beugt sie sich über das Kinderbett, um dem schreienden Baby den Nuckel zu geben. Erbost schubst Frank die Frau zur Seite, die gegen den Schrank fällt, der neben dem Kinderbett an der Wand steht. »Ich rufe die Polizei, wenn du nicht sofort meine Wohnung verlässt«, schreit Monika mehr aus Wut und Empörung als aus Schmerz und fügt unmissverständlich hinzu: »Der Kleine bleibt hier.« Frank schnappt sich die Schwiegermutter, drängt sie aus dem Zimmer und verschließt die Tür von innen. Die so in den Korridor Ausgesperrte trommelt heftig mit den Fäusten gegen die Tür und droht wieder, Uniformierte herbeizurufen.
    Christiane hat sich inzwischen mit brummendem Schädel und einer langsam wachsenden Beule am Hinterkopf von der Couch erhoben. Sie nimmt Claudius aus dem Bett und drückt den Jungen fest an ihre Brust. Frank geht auf sie zu, schreit, bettelt, fleht: »Sag etwas. Sag, dass du das vorhin nicht so gemeint hast, dass ich abhauen soll.« Doch Christiane schluchzt nur und schweigt. Die von ihrem Verlobten ersehnten Worte will sie nicht aussprechen. Er nimmt trotz ihres Widerstands das Kind an sich und legt es in das Bett zurück.
    Durch die Auseinandersetzung und Erregung schwitzt der Mann am ganzen Körper. Er geht zum Fenster, zieht die Gardine beiseite und öffnet beide Flügel. Die frische Luft bringt ihn jedoch nicht zur Besinnung. Im Gegenteil: Weil seine Verlobte noch immer nichts sagt und ihn anstarrt, geht er erneut auf sie zu: »Hast du deine Meinung geändert?«, fragt er und droht: »Ich mache ernst!« Christiane ist wie gelähmt vor Schreck. Sie befürchtet, dass ihr Freund sie aus dem Fenster stößt oder selbst hinausspringt. Doch der schnappt sich den Jungen und wirft ihn wie einen Spielball hinaus. »Mein Junge, mein Junge ist aus dem Fenster raus«, schreit die Mutter wie von Sinnen.
    In diesem Augenblick wird Frank Bärle klar, dass er den schrecklichen Gedanken verwirklicht hat, der sich in seinem Kopf zusammengebraut hat: »Wenn ich Claudius nicht haben kann, soll ihn niemand haben. Dann töte ich ihn«, hatte es in seinem Schädel gehämmert. Als er erfasst, was er gerade seinem Kind angetan hat, rennt er zur Kinderzimmertür, schließt sie auf und stürzt gemeinsam mit Christiane und der Schwiegermutter die Treppen hinunter.
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