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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe
Autoren: Wolfgang Swat
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eine etwa drei Meter breite Rasenfläche links des Hauseingangs einfasst, die Wucht des Falls. Das Kind landet mit dem Kopf auf dem betonierten Fußweg und mit den Füßen auf dem Gras. Der Kleine erleidet lebensgefährliche Verletzungen, unter anderem ein Schädelhirntrauma dritten Grades, eine Schädelbasisfraktur und Hämatome an Kopf und Körper. Drei Tage lang ringen der Säugling und die ihn betreuenden Ärzte mit dem Tod. Dann ist Claudius über den Berg. Nach eineinhalb Monaten Krankenhausaufenthalt kann er nach Hause in die Arme seiner Mutter Christiane Stanze entlassen werden. Claudius muss einen Schutzengel gehabt haben, dass er diesen Sturz überlebte. Vater Frank Bärle befindet sich zu dieser Zeit auf Beschluss des Kreisgerichtes Hoyerswerda in Untersuchungshaft im Gefängnis in Cottbus.
    Die Tragödie ereignete sich Ende Februar 1978 in Hoyerswerda im Bezirk Cottbus. Hoyerswerda, das ursprünglich kleine Ackerbürgerstädtchen, hat sich von 7000 Einwohnern gemausert auf inzwischen rund 70 000. Das Gaskombinat Schwarze Pumpe mit seinen Veredelungsanlagen und die Kohlegruben ringsum, die Brikettfabriken, Kokerei und Druckgaswerk in Schwarze Pumpe beliefern, hat Menschen aus allen Teilen der Republik angezogen. In der Neustadt von Hoyerswerda sind
    Wohnsiedlungen aus Plattenbauten wie Pilze aus dem Boden geschossen. Dennoch ist Wohnraum knapp, und wer nicht verheiratet ist und nicht in der Kohle arbeitet, hat kaum Chancen auf die eigenen vier Wände.
    Zu ihnen gehören Frank Bärle und Christiane Stanze. Die beiden kennen sich seit über einem Jahr und sind verlobt, als Mitte Dezember 1977 ihr gemeinsamer Sohn Claudius geboren wird. Die kleine Familie lebt gemeinsam in der Zweiraumwohnung bei Christianes Mutter. Gibt es Streit, bieten Frank Bärles Eltern, die im benachbarten Spremberg wohnen, eine Zufluchtsstätte. Bei seinen Eltern schlüpfte Frank unter, wenn ihn die oft genervte Schwiegermutter kritisiert, weil er ihrer Meinung nach mal wieder zu viel Alkohol getrunken hat und deshalb zu laut und aufbrausend ist oder weil er den Fernsehapparat eingeschaltet hat, obwohl sie ihre Ruhe haben will. Dann hagelt es Drohungen wie: »Verschwinde, das hier ist meine Wohnung.« Ernst gemeint waren solche Aufforderungen bisher nie, zumal sich Tochter Christiane stets auf die Seite ihres Verlobten stellte. Hochzeitspläne waren schon geschmiedet, und der Gang zum Standesamt war nur wegen des »dicken Bauches« von Christiane verschoben worden.
    Am Tag des tragischen Geschehens fährt Christiane mit dem kleinen Sohn im Kinderwagen mit dem Bus von Hoyerswerda nach Spremberg. Sie will Frank Bärle von seiner Arbeitsstelle abholen. Der 22-Jährige ist in der dortigen Gasverteiler-Station des VEB Energiekombinat Ost als Gashilfsmonteur beschäftigt. Das Paar will ein wenig durch die Stadt bummeln, etwas einkaufen und ein paar Stunden zu zweit genießen. Claudius wissen sie bei Oma und Opa in Spremberg gut aufgehoben. Bald schon landen die beiden in der Gaststätte »Börse«, in der die jungen Leute Bekannte treffen und »hängen« bleiben. Natürlich wird etwas getrunken. Gegen 21 Uhr verlassen sie beschwipst die Kneipe. Frank hat sieben Bier und fünf Schnäpse intus, seine Verlobte etwas weniger. Besser wäre es gewesen, er hätte es Christiane gleichgetan. Denn Frank weiß, dass zu viel Alkohol ihm nicht guttut. Er nimmt regelmäßig Tabletten, seit bei ihm im Kindesalter Epilepsie festgestellt wurde. Zwar hatte er seit 1974 keinen Anfall mehr, doch die Ärzte haben ihn zur Zurückhaltung ermahnt. Hinzu kommt seine extreme Schwerhörigkeit. Ein Ohr ist taub, auf dem anderen hört er nur mit Hilfe eines Hörgerätes. Das erschwert ihm die Kommunikation. Er regt sich dadurch gerade unter Alkoholeinfluss schnell auf, wird laut, und Nichtigkeiten können ihn emotional zur Weißglut treiben. Am nächsten Tag weiß er dann nicht mehr, warum er diskutiert und gestritten und ob ihm überhaupt jemand zugehört hat.
    Frank und Christiane gehen nicht mehr ganz sicheren Schrittes, aber dennoch gut gelaunt zu den Bärles, um Claudius abzuholen. Natürlich schimpfen die Großeltern, weil es so spät ist, schließlich braucht das Baby seinen geregelten Ablauf. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, bringt Franks Vater die junge Familie mit dem Auto nach Hause. Die Fahrt dauert keine halbe Stunde. Als sie daheim eintreffen, ist es dennoch kurz vor 23 Uhr. Frank trägt den Kleinen die drei Stockwerke nach oben, gibt dem Baby
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