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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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nichts verbrochen!
    Vielleicht war es ein bißchen illegal, daß ich diese Uhren mit dem möglicherweise merkwürdigen Inhalt transportiert habe. Mister Ledermans ›Kleine Botin‹, sein ›INA-Engel‹, seine ›Zaubermaus‹.
    Sie hatte auf ihren kostenlosen oder stark verbilligten Flügen, die ihr als Angestellter der Fluggesellschaft zustanden, schon mehrmals solcher ›Transporte‹ durchgeführt. Sie wurde nicht überprüft, ihr Gepäck nur oberflächlich gecheckt.
    Diesmal waren es Uhren gewesen, made in Hongkong: drollige Modelle, einige zeigten Indianerköpfe auf dem Zifferblatt, andere Blumen, Mickymäuse, sogar Weihnachtsmänner mit der Aufschrift ›Merry Christmas‹ waren dabei gewesen. Einige waren farbig, blau, weiß, rot oder grün, mit passenden Lederarmbändern.
    Jedes Exemplar steckte in einer Zellophantüte, die wiederum in die Fächer eines Etuis geschoben war, das den Eindruck eines kleinen Reisenecessaires erweckte. Es ließ sich aufklappen, und sie hatte noch scherzhaft zu Mister Lederman gesagt, sie fühle sich beinahe wie die Besitzerin eines Bauchladens. Mister Lederman hatte gelächelt und dabei sein zu großes, zu weißes, sicher falsches Gebiß gebleckt.
    Er hatte weiße Locken, die über den Ohren abstanden, ein Typ wie aus einem Comic-Heft. Aber wer lachte denn nun? Bestimmt nicht Britta Schirrmacher.
    Ihr Herz schlug so hart, daß sie fürchtete, es könnte plötzlich überfordert damit aufhören. Es war nicht kalt im Keller, aber auch nicht warm. Die feuchten Stellen zwischen ihren Schenkeln und an ihren Beinen wirkten allmählich wie kühle Kompressen.
    Sie versuchte, ihre Haltung ein wenig zu verändern, ihren Muskeln und Sehnen Erleichterung zu verschaffen trotz der Fesselung.
    Mehrmals sagte sie »Mama!«, »Mamilein!«, und dann weinte sie, leise und gleichmäßig, ohne zu schluchzen, immer auf der gleichen Tonhöhe.
    Ihre Mama. Wie sehr hatte sie sich immer nach Mamas Liebe gesehnt. Aber nach dem Tod ihres Vaters hatte ihre Mutter wieder geheiratet, einen freundlichen, neutralen Mann, der die Stieftochter gut behandelt und nie geschlagen hatte. Nicht einmal ausgescholten hatte er sie – wie die drei Kinder, die er und Mama zusammen hatten.
    Ihre Geschwister. Nette, neutrale Kinder. Liebe! Liebe – das war etwas, das die kleine Britta über alles begehrte. Auch später, als junges Mädchen, suchte sie danach bei lauter neutralen, oft gar nicht netten Männern. Richard hatte ihr wenigstens die Illusion von Liebe verschafft. Obwohl sie gewußt hatte, daß er letztlich zu seiner Familie halten würde. Jetzt war es vorbei. Wenn ich rauskomme, werde ich sofort nach New York zurückkehren. Für Mister Lederman werde ich nie mehr etwas befördern. Und wenn er mich totschlägt … Und wenn er mich wirklich totzuschlagen droht?
    Sie wußte, daß sie sich etwas vorgemacht hatte, von Anfang an: Die Bezahlung war zu üppig gewesen für den angeblichen ›kleinen Gefallen‹, als den Mister Lederman ihre Botendienste hingestellt hatte.
    Bevor sie sich persönlich kennenlernten, hatten sie ganz normale dienstliche Telefongespräche miteinander geführt. Er war ein potenter Kunde von INA gewesen. Eines Tages war er in das Büro gekommen und hatte sich ihr vorgestellt mit der Bemerkung, sie sehe genauso aus, wie er sie sich der Stimme nach vorgestellt hätte. Er hoffe nun, daß sie ihn nicht so ledern finde, wie sein Name es vielleicht vermuten lasse. Er hatte sie zum Essen eingeladen, in ein feudales Lokal, sich danach aber keinerlei Freiheiten herausgenommen.
    Nach der dritten Einladung hatte er sie um einen kleinen Gefallen gebeten.
    Sie hatte gezögert, und er hatte erklärt: »Ich nenne Ihnen mal gleich mein bestes Argument.« Und das Argument war die Bezahlung. Sehr üppig, sehr verlockend. Nicht nur wegen der Kaufkraft. Geld stand für Erfolg. Und Erfolg war fast so gut wie Liebe. Besser vielleicht. Würden sonst so viele Männer den Erfolg über die Liebe stellen?
    Nun, zuerst war es wirklich einfach gewesen. Richtig nett und lustig, ein bißchen wie beim Geheimdienst, wenn es stimmte, was man da so las. Vielleicht wollte Mister Lederman sie zuerst nur testen?
    Im Grandhotel hatte sich nun eine weiche Männerstimme mit östlichem Akzent bei ihr am Telefon gemeldet: »Spreche ich mit Frau Hugendübel?«
    Es war abgemacht, daß sie diesmal unter dem Namen Hugendübel absteigen sollte. Die Idee mit Richard Hornung stammte allerdings ganz und gar von ihr. Aber warum sollte Frau
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