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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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wenig von Britta. Sie war entzückend im Bett. Das war's dann aber auch.
    Richard erschauerte. Der Tote in Nummer 316 erschien vor seinem inneren Auge, dieser furchtbar zugerichtete Mensch. Jetzt hieß es, egoistisch zu sein, klug und umsichtig zu reagieren, die eigene Haut zu retten. Das hieß vor allem: schleunigst aus Berlin zu verschwinden!
    Richard stieß auf einen U-Bahnhof und löste einen Schein. Er stieg mehrmals um, bis er schließlich den U-Bahnhof Zoo erreichte. Von da aus nahm er den Zubringerbus zum Flughafen, buchte den nächsten Flug nach Leipzig, wartete fast gedankenlos und völlig erschöpft auf den Abflug.
    Im Flugzeug bestellte er sich einen Cognac, und als die Stewardeß ihm das Glas reichte, zitterte seine Hand. Seine Nachbarin sah ihn auf diese Weise an, mit deren junge Frauen Tattergreise bedenken. Eher abfällig als mitleidig. Blöde Zicke. Noch vor sehr kurzer Zeit hatte eine Jüngere, viel Hübschere in seinen Armen gezittert.
    In Leipzig fuhr Richard mit einem Taxi ins Hotel. Er nahm seinen Schlüssel in Empfang und begab sich auf sein Zimmer, von wo aus er zu Hause in Rendsburg anrief. Lucie war nicht da. Gina flötete, sie werde bestellen, daß alles in Ordnung sei.
    »Wiederseh'n, Herr Hornung, schönen Tag noch!«
    Alles in Ordnung! Schönen Tag noch! Warum nicht? Er war gerettet. Die winzigen Flaschen im Barschrank reichten nicht aus zur Feier. Er ließ sich eine Flasche Whisky aufs Zimmer bringen und trank ihn ohne Eis, mit großen, langen Schlucken.
    Einige Sekunden lang war ihm, als sei das alles gar nicht passiert. Ein Traum, eine Erinnerung an eine Fernsehsendung vielleicht. Dann kehrte die Wirklichkeit mit vermehrter Kraft zurück. Er rannte ins Bad und übergab sich. Danach war ihm wohler. Er packte seine Reisetasche aus. Ein Wunder, daß er sie nicht in Panik irgendwo verloren oder vergessen hatte. Er duschte, zog sich um und bestellte ein Taxi. Dann fuhr er zu dem Kabelwerk, das er nach der Wende mit aufgebaut hatte. Es war wie zu Hause. Sie mochten ihn nicht, aber sie schätzten ihn. Besonders, seit man schwarze Zahlen schrieb. Es war richtig und wunderbar, jetzt normal weiterzuleben. So zu tun, als wäre nichts geschehen. Bis man selbst daran glaubte.

2. Kapitel
    Britta war eingekeilt in dem grauen Mittelklassewagen. Links von ihr saß der magere Dunkelhaarige mit der Stirnglatze, über die er einige fettige Strähnen verteilt hatte. Sie schätzte sein Alter auf fünfzig. Er war klein, aber drahtig, wie einer, der von Kind auf hart gearbeitet hatte.
    Rechts hockte der sehr junge Mann, fast noch ein Knabe, schwarze Locken wie ein Putto, sehr hübsch, mit großen, ängstlichen Augen. Der Schein trog, wie Britta wußte. Beide Männer waren Killer.
    Ein älterer Mann fuhr den Wagen. Auch er sah nicht gefährlich aus, wirkte so durchschnittlich, daß sich gewiß nie jemand an ihn erinnern konnte.
    Ja, sie waren gefährlich. Tödlich. Britta war steif vor Angst. Ein Eiszapfen. Deshalb zitterte sie auch nicht. Erstarrt, erfroren. Auch ihr Gehirn arbeitete nicht richtig.
    Niemand sprach. Vorhin hatte ihr der Magere kurze Befehle zugebellt: Ganz still! Kein Wort! Wenn du schreist, bist du tot. Sie hatte sogar auf Kommando gelächelt, als sie durch die Hotelhalle geführt wurde.
    Niemand merkte etwas, keiner schöpfte Verdacht. In diesen großen Hotels bewegte man sich anonym. Das machte ja sonst auch gerade einen Teil ihres Reizes aus.
    Die Männer waren mit ihr ein Stückchen die Straße entlanggegangen, fort aus dem Blickfeld des Hotelportiers. Sie wußte, daß an Flucht nicht zu denken war. Dann fuhr der Wagen vor. Sie stiegen ein. Die Menschen gingen ihrer täglichen Beschäftigung nach. Alles war normal. Wie sonst auch. Nur nicht für Britta Schirrmacher.
    Sie hatte eben einen Mord aus nächster Nähe mit ansehen müssen. Nun war sie in der Gewalt der Mörder. Warum nahmen sie die Zeugin mit? Hatten sie etwa Mitleid? O nein. Aber es mußte einen Grund geben.
    Britta kannte Berlin wenig, ihr sagten die Straßen nichts, durch die sie fuhren. Außerdem wagte sie auch nicht, an ihren Bewachern vorbei hinauszuschauen. Vielleicht hätte sie sonst aus den Augenwinkeln Straßenschilder erkennen können. Aber wozu? Es waren Mörder. Die gingen kein Risiko ein. Zwei von den Dreien waren jedenfalls Mörder. Britta hatte es mit angesehen.
    Der Wagen hielt. Der Magere stieg aus und bedeutete ihr durch ein Zeichen, sie solle ebenfalls aussteigen. Eine normale Wohnstraße. Niemand würde
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