Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen
Autoren: Veijo Meri
Vom Netzwerk:
ärmer bin als die Hedvig? Ist das nicht furchtbar?
    Die Baronin wollte in den Wagen zurück. Der Kutscher kam ihr zur Hilfe, stützte sie und hob sie hinauf, Heta half auf der anderen Seite mit. – Jetzt fahren wir, drängte die Baronin und wischte sich die Augen mit einem weißen Tuch.
    In der engen Einfahrt mußte sich der Kutscher noch einmal umblicken. Die Kätnerin stand, zur Säule erstarrt, mitten auf dem Hof, im Rücken das lange, niedrige Speichergebäude, an dem alle drei Türen sperrangelweit aufstanden. Aus Unvorsichtigkeit schlug sich der Kutscher den Kopf am Ecksparren und drosch vor Wut auf die Pferde ein, die in wildem Galopp davonjagten.
    – Meine Scharwerker haben es viel besser als ich. Glaubst du mir das, Rooth? Ich bin arm, weil sie mich alle bestehlen.
    Die Baronin schluchzte die ganze Fahrt über. Sie schenkte den kleinen Torhütern, die inzwischen auch schon an den Toren warteten, die der Kutscher auf der Herfahrt hatte selber öffnen müssen, nicht die geringste Beachtung. Erst in der sausenden Birkenallee beruhigte sie sich wieder. Die Pferde gingen in wildem Trab, daß der Schaum flog und der Sand gegen den Boden der Kutsche prasselte. Die Allee führte geradeaus auf den Gutshof zu, wo alte Birken, Linden und Eichen wuchsen. Ein Park so groß wie in einer kleinen Stadt, eine grüne Insel inmitten der sich weithin erstreckenden offenen Felder, die die am Waldrand endende Birkenallee wie eine lange schmale Brücke durchzog.
    – Ist das nicht ungerecht, daß ich, die ein großes Gut besitzt, viel viel ärmer bin als eine gewöhnliche Kätnerin, fragte die Baronin den Kutscher, der ihr auf der Freitreppe die Stufen hinaufalf. Der Kutscher stimmte ihr bereitwillig zu, bemüht so vorsichtig wie möglich zu sein, als wäre die kleine an seiner Schulter lehnende Frau das zarteste und zerbrechlichste Wesen von der Welt.
    Auf der Treppe waren zwanzig Stufen zu ersteigen, zuviel für die alte Frau. Sie ging mitten auf der Treppe in die Knie. Sie glitt dem Kutscher aus der Hand, der nicht wagte, einem so zerbrechlichen Wesen fest unter die Arme zu greifen. Die Pferde hatten sich selbständig gemacht und rupfen Gras vom Rand des gestutzten Rasens. Die Kutsche stand quer auf dem Weg. Die alte Frau weinte. Dem Kutscher zu Füßen, der ängstlich zu den hinter dem Park liegenden Feldern hinüberblickte und sich die Lippe biß. Am Feldrand bewegten sich in einer Reihe, vom lichtgefleckten Schatten der Birken bis zur Unkenntlichkeit maskiert, die Gutsscharwerker mit ihren Pferden und Leiterschlitten. Einer der Männer blickte herüber. Der Kutscher versuchte ihm den Blick zu verdecken, indem er sich schützend vor seine Herrin stellte.
    – Darf ich Euch hinaufragen, darf ich Euch hinauftragen, flehte der Kutscher sie an, aber die Baronin krümmte sich nur noch mehr zusammen, weinte noch lauter, und zog sich mit ihrer wie Birkenrinde gerunzelten Hand den Kragen grade.
    – So ist das, die Reichen müssen beten. Ich meine nur, für die Armen betet die Gemeinde, und die Pfarrer und Bischöfe, aber die Reichen müssen selber beten, bemerkte Taappolas Lohnknecht. – Halt die Klappe, sagte Taappola. Bring den Inspektor nicht auf.
    – Jedenfalls rutscht die Alte wieder auf den Knien, sagte der Lohnknecht. Dann ist bald wieder was gefällig.
    – Was geht dich das bloß an, möcht ich mal wissen,
sagte Taappola wütend. Solang du bei mir in Arbeit
bist, redst du nicht solche Sachen.
– Was für Sachen?
    – Solche Sachen, die ich nicht hören will. Am selben Abend, um acht nach der Arbeit sollte Taappola nicht wie üblich gradenwegs nach Hause fahren, direkt vom Feld, auf dem sie mit diesen Leiterschlitten Heu in die Schober eingefahren hatten. Das Feld war seinem Haus einen Kilometer näher als das Gut, und schon deshalb war er verärgert. Man brachte ihm Bescheid, daß er im Kontor vorsprechen solle.
    – Jetzt krieg ich meine Verwarnung wegen deiner Klugscheißerei, sagte er zum Lohnknecht. – Wenn es das ist, komm ich selber drauf antworten. – Du hast da gar nichts zu antworten. Hier antwortet nicht der Mensch, damit du’s weißt, nur das Land und der Besitz hat hier was zu sagen. Dein einziges Wachstum sind deine Borsten und Klauen, du hast gut reden, nur besser gehst du und redst im Wald mit den Bäumen. – Ich geh auch schon.
    Das Kontor befand sich im alten Herrenhaus, dessen Fassade sich gesenkt und verzogen hatte. Vor den Fenstern wuchsen haushohe Fliederbüsche, die den Raum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher