Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen
Autoren: Veijo Meri
Vom Netzwerk:
begann sie zu stopfen. Seine linke Hand zitterte dabei.
    Heta Taappola hatte versucht, der Baronin zuvorzukommen, hatte es aber nicht geschaf. – Aus welchem Kasten nimmt die Hedvig das Mehl? – Das nehm ich nicht aus dem Kasten sondern vom Sack. – Kann mir die Hedvig den Kasten dort aufmachen. Heta Taappola klappte den Deckel mit beiden Händen auf und lehnte ihn gegen die Wand. Der Kasten war so hoch, daß sie sich auf die Zehen stellen mußte. Der Deckel war aus Bohlen gezimmert und lang und breit wie der Fußboden einer kleinen Stube. Die Baronin reichte nicht so hoch hinauf um über den Rand des Kastens sehen zu können. – Kann mir die Hedvig einen Schemel bringen, damit ich ein bißchen sehe.
    Heta Taappola suchte ihr einen Kornscheffel und stülpte ihn neben ihr um. Die Baronin stieg hinauf und blickte in den Kasten. Starrte hinein und konnte nicht davon loskommen.
    – Eiei! wie groß und tief! Mir wird ganz schwindlig. Die Baronin starrte in den Kasten, in dem genügend Platz gewesen wäre, um ein Pferd darin unterzustellen.
    – Ich hab keinen so riesigen Kasten, sagte die Baronin mit klagender Stimme, aus der Neid sprach. Dann ließ sie sich auf den Speicherboden hinunter und blickte um sich.
    – So einen riesigen Kasten hat die Hedvig. Zwei so riesige Kästen. Jaja, die Hedvig hat’s.
    Die Baronin kam auf Heta Taappola zu und ergriff ihre Hand.
    – Mir stehlen sie immer alles weg, weil ich so alt bin. Ich schaff‘s nicht mehr, überall nach dem Rechten zu sehn. Die Hedvig hat so viele Kästen. Sicher ist die Hedvig ein glücklicher Mensch. Wo hat die Hedvig ihren Speicher mit dem Geräucherten? Heta Taappola stand starr wie eine Säule, ließ sich gefallen, daß sich die Baronin an sie anlehnte, und hielt ihr die Hand wie einem Kind, das unnütz viel fragt.
    – Wollen die Gnädige nicht mit in die Stube kommen? Mamachen liegt krank. Es wird mit ihr wohl zuende gehn.
    – Hat die Hedvig das Fleisch dort im Speicher nebenan?
    – Wie geht es dem jungen Herren, fragte Heta Taappola mit ängstlich erregter Stimme. – Die Hedvig hat sicherlich viele Zuber Fleisch. Die Baronin verließ den Speicherraum. Heta Taappola stand einen Augenblick wie vom Schlag gerührt, besann sich aber und eilte ihr nach.
    Unter dem Speicherdach hing geräuchertes Fleisch, schwarz in großen Stücken. Unter dem Fleisch her, fast im Laufschritt, drang die Baronin in den Speicher vor.
    – Das hab ich doch gesagt, daß die Hedvig den Speicher voller Fleisch hat, rief die Baronin und drehte sich zu Heta Taappola um, die mitten im Speicherraum stand, den Kopf zwischen den überall um sie herabhängenden Fleischstücken. Auf einer Bank standen in einer Reihe hölzerne Kellen und Mulden mit weißem Schmalz. Die Baronin ging von Napf zu Napf, und bei jedem hielt sie ein Weilchen die Hand drauf.
    – Das ist nicht unser Rauchfleisch, versuchte Heta Taappola zu erklären. Wir haben für die Nachbarn mitgeräuchert, weil sich das nicht lohnt, für das bißchen so viele Darren zu heizen. Das lohnt sich nicht.
    – Aber für die Hedvig lohnt es sich immer, sagte die Baronin. Gehn wir uns jetzt Hedvigs Speicher mit dem Gewebten ansehn.
    Ein drittes Mal durfe der Kutscher zusehn, wie die Frauen in den Speicher gingen. Die Baronin geschäftig, flink voraus wie ein Wiesel. Die Kätnerin blieb auf der Schwelle zurück, länger als bei den anderen Speichern.
    – Ist das die Möglichkeit, ist das Möglichkeit! rief die Baronin und patschte in ihre unscheinbar winzigen Hände. Wieviel Stoffe die Hedvig hat! Hat die Hedvig das alles selber gewebt?
    – Das habe ich, war die schwerfällige Antwort. Die Kätnerin kam zuletzt in den Speicher, aus dem man das unauförliche Gekreisch der Baronin hörte, die immer neue Funde machte. Der Kutscher wartete und wunderte sich, wie lang die Frauen sich dort aufielten. Eine Weile hörte man nichts mehr, bis die Baronin schließlich, von Heta Taappola gestützt, aus dem Speicher herauskam. Sie hatte geweint und schluchzte immer noch, klammerte sich mit beiden Händen an ihre Begleiterin und ließ ihren Kopf hinund herschwanken.
    – Die Hedvig weiß nicht, was für ein unglücklicher Mensch ich bin.
    Die Baronin fing wieder zu weinen an, ihr bis zur Lautlosigkeit verbrauchtes Altweiberweinen. – So schlimm wird es doch nicht sein. So schlimm wird es doch nicht sein. Die Gnädige sind müde, versuchte Heta Taappola zu trösten.
    – Weiß die Hedvig denn, daß ich, obgleich ich ein Gut besitze,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher