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Der Törichte Engel

Der Törichte Engel

Titel: Der Törichte Engel
Autoren: Christopher Moore
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dass es unter Umständen regnet. Du solltest dir vielleicht einen Plan B überlegen.«
    »Mehr Schnaps?«
    »Ich dachte eher an etwas, bei dem das Essen nicht draußen zubereitet wird.«
    »Also mehr Schnaps?«
    Theo schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg zur Tür. »Ruf mich oder Molly an, wenn du Hilfe brauchst.«
    »Es wird schon nicht regnen«, sagte Mavis. »Im Dezember regnet es nie.«
    Aber Theo war bereits weg, draußen auf der Straße, wo er nach dem Fremden im Trenchcoat suchte.
    »Könnte schon sein, dass es Regen gibt«, erklärte einer der Stammgäste. »Die Wissenschaftler sagen, vielleicht kriegen wir dieses Jahr El Niño.«
    »Na klar, als wenn sie es uns sagen würden, bevor der halbe Staat unter Wasser steht«, erwiderte Mavis. »Scheißwissenschaftler.«
    Aber El Niño war im Anmarsch.
    El Nino. Das Kind.

3
Weihnachten im Eimer
     
    Dienstagabend. Es waren noch vier Tage bis Heiligabend, aber dennoch rollte der Weihnachtsmann in seinem großen, roten Pick-up auf der Hauptstraße mitten durch den Ort, winkte den Kindern zu, fuhr Schlangenlinien, rülpste in seinen Bart, mehr als nur leicht angetrunken. »Ho, ho, ho!«, rief Dale Pearson, der böse Immobilienmakler und Weihnachtsmann der Karibu Lodge im sechsten Jahr in Folge. »Ho, ho, ho!«, rief er und unterdrückte den Drang, und ’ne Buddel voll Rum hinzuzufügen, denn sein Benehmen glich eher Käpt’n Blackbeard als dem Weihnachtsmann. Eltern zeigten auf ihn, Kinder winkten und hüpften herum.
    Mittlerweile war ganz Pine Cove von vorweihnachtlicher Freude erfüllt. Sämtliche Hotels waren ausgebucht, und es fand sich kein einziger Parkplatz mehr auf der Cypress Street, wo Kauflustige ihre Kreditkarten derart zum Glühen brachten, dass man Kastanien darauf hätte rösten können. Es duftete nach Zimt und Tannen, Pfefferminz und Glückseligkeit. Das hier war kein ungehobelter Weihnachtskommerz wie in Los Angeles oder San Francisco. Das war der reine, unverfälschte Kommerz der kleinen Städtchen in Neuengland, wo Norman Rockwell vor hundert Jahren das Weihnachtsfest erfunden hatte. Das war echt.
    Nur Dale begriff es nicht. »Fröhliche, selige … ach, leck mich doch am Arsch.« Dale grinste hinter seinen getönten Scheiben.
    Im Grunde war es den Bewohnern von Pine Cove ein Rätsel, wieso ihr Dorf zur Weihnachtszeit so beliebt war. Es war ja nicht gerade ein Winterwunderland. Die mittlere Temperatur zu dieser Jahreszeit lag bei neunzehn Grad Celsius, und nur ein paar uralte Männer konnten sich daran erinnern, wie es mal geschneit hatte. Ebenso wenig war es ein tropischer Zufluchtsort. Das Meer hier oben war bitterkalt, mit einer durchschnittlichen Unterwassersicht von fünfundvierzig Zentimetern und einer gewaltigen Kolonie von Seeelefanten am Ufer. Im Winter lagen Tausende dieser rundlichen Flossenfüßer über die Strände von Pine Cove verteilt wie große, bellende Scheißhaufen, und mochten sie auch selbst nicht gefährlich sein, so waren sie doch die Hauptnahrungsquelle des Weißen Hais, der sich im Laufe von 120 Millionen Jahren zur perfekten Ausrede entwickelt hatte, wenn man nie weiter als bis zu den Knöcheln ins Wasser gehen wollte. Wenn es also weder am Wetter noch am Wasser lag, was zum Teufel war es dann? Vielleicht lag es einfach an den Bäumen. Den Weihnachtsbäumen.
    »Verdammt, meine Bäume«, grummelte Dale vor sich hin.
    Pine Cove lag im weltweit letzten natürlichen Wald aus Monterey-Kiefern. Monterey-Kiefern sind genau die Bäume, die man als Weihnachtsbäume züchtet. Die gute Nachricht war, dass man sich fast auf jedem unbebauten Grundstück im Ort einen ansehnlichen Weihnachtsbaum schlagen konnte. Die schlechte Nachricht war, dass es strikt verboten war, solange man keine Genehmigung dafür besaß und nicht im Gegenzug fünf Bäume pflanzte. Die Monterey-Kiefern waren geschützt, und jeder Bauunternehmer am Ort konnte ein Lied davon singen, denn wann immer sie ein paar Bäume schlugen, um ein Haus zu bauen, mussten sie als Ersatz einen ganzen Wald anpflanzen.
    Ein Kombi mit einem Weihnachtsbaum auf dem Dach setzte direkt vor Dales Pick-up zurück. »Schaff deine Schrottkiste von meiner Straße«, blaffte Dale. »Und frohe Weihnachten euch Mistkäfern«, fügte er hinzu.
    Eher unfreiwillig war Dale Pearson zum Johnny Appleseed der Weihnachtsbäume geworden, nachdem er Zehntausende von Setzlingen gepflanzt hatte, als Ersatz für die Tausenden, die in seinem Auftrag mit Kettensägen niedergemäht worden waren,
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