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Der Törichte Engel

Der Törichte Engel

Titel: Der Törichte Engel
Autoren: Christopher Moore
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ihrem Gesicht. Und wieder zog ihr der Weihnachtsmann mit der Taschenlampe eins über, fester diesmal. Die Frau heulte auf und sank in der Grube auf die Knie. Dann langte der Weihnachtsmann in seinen breiten, schwarzen Gürtel, zog einen Revolver hervor und richtete ihn auf die Frau. Da kam sie hoch, schwang den Spaten in weitem Bogen und traf den Weihnachtsmann mit einem dumpfen Schlag seitlich am Kopf. Der Weihnachtsmann geriet ins Taumeln und hob seinen Revolver an. Die Frau kauerte am Boden und hielt die Arme schützend über ihren Kopf, mit dem umgekehrten Spaten unterm Arm. Doch während er zielte, verlor der Weihnachtsmann das Gleichgewicht und stürzte vorwärts in den Spaten. Wie eine Klinge bohrte er sich unter seinen Bart, und plötzlich war der Bart genauso rot wie sein Anzug. Er ließ die Waffe und die Taschenlampe fallen, gab ein gurgelndes Geräusch von sich und ging zu Boden, so dass Josh ihn nicht mehr sehen konnte.
    Josh hörte kaum das Weinen der Frau, als er nach Hause rannte und ihm der Puls wie Schlittenglöckchen in den Ohren klingelte. Der Weihnachtsmann war tot. Weihnachten war im Eimer. Josh war gearscht.
    Apropos gearscht: Drei Blocks weiter trabte Tucker Case mit Jammermiene die Worchester Street entlang, um sein Junk-Food-Abendessen mit einem kleinen Spaziergang unter der Last einer erheblichen Portion Selbstmitleid abzuarbeiten. Er ging auf die vierzig zu, war gut in Form, blond und braun gebrannt – sah aus wie ein alternder Surfer oder ein Golfprofi in den besten Jahren. Fünfzehn Meter über ihm segelte ein großer Flughund durch die Bäume, lautlos auf ledernen Schwingen in der Nacht. Damit er sich an Pfirsiche und so Zeug anschleichen konnte, ohne sich erwischen zu lassen, dachte Tuck.
    »Roberto, mach dein Geschäft, damit wir endlich wieder ins Hotel können«, rief Tuck in den Himmel. Der Flughund bellte und hielt sich im Vorüberfliegen an einem Ast fest, wobei ihn der Schwung fast in einen Looping warf, bis er ins Pendeln kam und kopfüber hängen blieb. Dann bellte er erneut, leckte seine kleinen Hundelefzen und hüllte sich in seine großen Flügel, um sich vor der kalten Meeresluft zu schützen.
    »Gut«, sagte Tuck, »aber du kommst erst wieder ins Zimmer zurück, wenn du dein Geschäft gemacht hast.«
    Er hatte den Flughund von einem philippinischen Navigator geerbt, den er aus Mikronesien kannte, wo er den Privatjet eines Arztes geflogen hatte. Er war damals darauf angewiesen gewesen, weil er seine amerikanische Fluglizenz verloren hatte, denn er war mit dem pinkfarbenen Jet von Mary Jean Cosmetic abgeschmiert, weil er eine junge Frau in den Mile-High Club eingeführt hatte. Betrunken. Von Mikronesien aus war er mit dem Flughund und seiner hübschen neuen Inselfrau in die Karibik gezogen und hatte ein Chartergeschäft eröffnet. Mittlerweile, sechs Jahre später, führte seine hübsche Frau das Chartergeschäft gemeinsam mit einem Zwei-Meter-Rastamann, und Tucker Case waren nur der Flughund und ein gelegentlicher Job als Hubschrauberpilot bei der Drogenfahndung geblieben, die in der Wildnis von Big Sur Marihuana-Felder aufspüren wollte. Was ihn nach Pine Cove geführt hatte, in ein billiges Motelzimmer, vier Tage vor Heiligabend, allein. Einsam. Gearscht.
    Früher war Tuck ein Aufreißer erster Güte gewesen, ein Don Juan, ein Casanova, ein Kennedy ohne Kohle, doch jetzt saß er in einem Dorf, in dem er keine Menschenseele kannte und in dem er bisher keiner einzigen Frau begegnet war, die er hätte verführen können. Die paar Ehejahre hatten ihn ruiniert. Er hatte sich an liebevolle, weibliche Gesellschaft gewöhnt, für die kaum Manipulation und List und Tücke nötig waren. Das fehlte ihm. Verdammt, er wollte Weihnachten nicht allein sein. Und doch: Hier war er.
    Und da war sie. Eine Jungfer in Not. Eine Frau, allein, bei Nacht hier draußen, weinend – und nach allem, was Tuck im Licht der Scheinwerfer eines parkenden Pick-ups erkennen konnte, hatte sie eine tolle Figur. Wundervolles Haar. Hübsche, hohe Wangenknochen, voller Tränen und Erde, aber … nun ja, irgendwie exotisch. Tuck vergewisserte sich, dass Roberto noch über ihm hing, dann zupfte er seine Bomberjacke zurecht und überquerte die Straße.
    »Hey, alles okay bei Ihnen?«
    Die Frau zuckte zusammen, schrie auf, sah sich panisch um, bis sie ihn entdeckt hatte. »Oh, mein Gott!«, sagte sie.
    Tuck hatte schon schlimmere Reaktionen erlebt. Er blieb am Ball. »Alles okay bei Ihnen?«, wiederholte er. »Es
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