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Der Tod Verhandelt Nicht

Der Tod Verhandelt Nicht

Titel: Der Tod Verhandelt Nicht
Autoren: Bruno Morchio
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Handvoll junge Leute, die im Meer schwammen – aber von Aglaja keine Spur. Dafür entdeckte ich zwei Carabinieri, die gerade von der Holzveranda der Bar herunterkamen, die Patronentaschen schräg über der Brust. Die beiden hatten mich ebenfalls entdeckt und sahen mich so durchdringend an, dass kein Zweifel daran bestand, dass sie genau mich suchten.
    Auf der Sanddüne waren die ersten Meerlilien erblüht. Die beiden Carabinieri standen mir inzwischen direkt gegenüber. Der eine war extrem jung und von besorgniserregender Magerkeit, trug einen Kinnbart und hielt sich ein paar Schritte hinter dem anderen. Der ältere musste zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt sein und hatte einen kräftigen Körperbau, sicher trug das beschauliche Leben in der Provinz nicht gerade dazu bei, ihn in Form zu halten.
    »Guten Tag«, sprach er mich an und salutierte mit der Hand an die Schläfe. »Signor Giovanni Battista Pagano?«
    »Ja, der bin ich«, antwortete ich. »Ist meiner Tochter etwas zugestoßen?«
    »Das wollen wir mal nicht hoffen«, meinte er in beruhigendem Ton. »Ich bin Maresciallo Giraudo von der Polizeiwache in Tertenia.«
    Da entspannte ich mich ein wenig und drückte ihm kräftig die Hand, als ob das die einzige Möglichkeitwäre, ihm meine Erleichterung zu bezeugen. »Angenehm«, sagte ich.
    Dann gab ich auch dem jüngeren, der mir als Carabiniere Zonin vorgestellt wurde und einen starken piemontesischen Akzent hatte, die Hand.
    »Was haben Sie denn angestellt?«, fragte mich der Maresciallo. »Ihre Lippe ist ja ganz geschwollen …«
    »Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich ausweichend, in der Hoffnung, dass er Wichtigeres zu tun hatte, als sich über mein Aussehen zu wundern.
    Dem war auch so. »Wir haben ein Fax von Signor Lucarelli, Richter am Tribunal in Genua, erhalten«, sagte er mit ernster Miene. »Es geht um die minderjährige Aglaja Pagano. Ist das Ihre Tochter?«
    »Ja, das ist meine Tochter.«
    »Das Mädchen hält sich zurzeit bei Ihnen auf?«
    »Ja, sie verbringt hier ihre Ferien.«
    »Der Richter hat angeordnet, dass sie unverzüglich zur Kindesmutter geschickt werden soll, wohnhaft in Chiavari …«
    »Aha«, unterbrach ich ihn. »Können Sie mir die Anordnung zeigen?«
    »Selbstverständlich. Wenn Sie uns bitte zu unserem Fahrzeug folgen würden.«
    Der Maresciallo schien ein gewissenhafter Mensch zu sein. Bevor er sich auf die Suche nach mir gemacht hatte, hatte er offensichtlich den Gerichtsbeschluss genau studiert. Wir marschierten los und schlugen den Pfad zurück in Richtung Haus ein.
    »Wo ist das Mädchen überhaupt?«, fragte der Maresciallo.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich und fuhr mir mit den Händen durch das schweißnasse Haar. »Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen. Ich war auf der Suche nach ihr. Ihr Handy ist ausgeschaltet, seit vier Uhr heute Nachmittag ist sie verschwunden und hat keine Nachricht hinterlassen.«
    »Was soll das heißen,
verschwunden
?«, fragte der Vorgesetzte alarmiert.
    »Das heißt, dass ich von meinem Besuch in der Villa von Signor Ganci heimgekehrt bin und meine Tochter nicht angetroffen habe. Apropos«, fügte ich hinzu, »ich an Ihrer Stelle würde unverzüglich in die Villa des alten Herrn fahren. Signor Ganci ist nämlich ermordet worden.«
    Giraudo meinte wohl, ich wolle ihn auf den Arm nehmen, jedenfalls brüllte er sichtlich irritiert: »Sie machen Scherze!«
    »Nein, Maresciallo. Er liegt wirklich mit durchgeschnittener Kehle in seinem Sessel. Ich glaube, er ist mit einer
pattada
erstochen worden. Ich könnte Ihnen ja eine Menge anderer Details zu diesem Mord erzählen, aber wenn ich meine Tochter nach Chiavari zurückbringen muss …«
    Inzwischen waren wir auf Virgilios Hof angelangt. Sein Pick-up stand unter einem der Feigenbäume. Schnell lief ich zum Mitsubishi, in dem Laura saß und einen Dylan-Dog-Krimi las.
    »Wo ist Aglaja?«, fragte ich nervös.
    »Ich habe sie seit heute Morgen nicht mehr gesehen«, erwiderte sie achselzuckend, ohne von ihrem Comic aufzublicken.
    Ihre Antwort war für mich wie ein Schlag in die Magengrube, und ich wurde sofort wieder unruhig. Konnte es wirklich sein, dass meine Tochter so lange weg war, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen? Das war unmöglich. Es sei denn …
    Da packte mich Maresciallo Giraudo am Arm.
    »Woher wissen Sie das überhaupt?«
    »Tja, in den letzten Tagen hat sich so einiges ereignet«, erwiderte ich. »Ich bin als Privatdetektiv hierhergekommen, um nach einem jungen Mann
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