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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester
Autoren: Diane Chamberlain
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musste. Über das Dröhnen des Motors hinweg hörte ich ihr Lachen, als sie begriff, was ihr Vater vorhatte.
    “Dein Grandpop ist ein gemeiner Kerl”, sagte ich zu Clare.
    “Pop Pop ‘meiner Kerl”, wiederholte Clare.
    Ethan war alles andere als gemein. Seit er und Julie im Januar geheiratet hatten, zeigte sich mein Schwager als prima Kumpel. Ich verbrachte diesen Sommer ein paar Wochen bei ihnen, und er, Abby und ich waren seit meiner Ankunft nahezu jeden Tag Wasserski gefahren.
    Was mich und die Männer anging, hatte ich allerdings mit dem Thema abgeschlossen. Mein Leben war zu ausgefüllt, als dass noch ein Mann hineinpasste. Zwischen meinen Studenten, den ZydaChicks, meiner Frauengruppe und meiner immer größer werdenden Familie gab es wirklich keinen Raum mehr für irgendetwas oder irgendjemand anderes.
    Abby pflügte elegant wie eine Weltmeisterin durch die Bugwelle des großen Boots, die sie auf- und abhüpfen ließ. Doch dann hob sie die Hand und winkte als Signal, dass sie Ethan oder mich fahren lassen wollte.
    Ethan verlangsamte das Tempo, und Abby ließ sich geschickt ins Wasser gleiten, während wir umkehrten, um sie einzusammeln. Sie kletterte über die Leiter ins Boot; ihr Körper war langbeinig und braun gebrannt. Sanft schüttelte sie ihr feuchtes Haar vor Clares Gesicht aus, sodass die Tropfen ins Gesicht des Mädchens spritzten und die Kleine zum Glucksen brachten.
    “Du bist dran, Lucy”, sagte Ethan.
    Ich überreichte Clare ihrer Mutter, kletterte über die Reling und sprang ins Wasser. Abby warf mir die Ski hinterher, und wie gewöhnlich hatte ich Mühe, hineinzukommen. Ich war beim Wasserski in allem schlecht: darin, in die Gummimanschetten der Ski zu schlüpfen, darin, wieder ins Boot zu klettern, und vor allem darin, mich länger als ein paar Sekunden auf den Skiern zu halten. All das Anhalten und Wiederanfahren musste Ethan und Abby verrückt machen, doch sie beklagten sich nie, und ich genoss jede Sekunde des Abenteuers – vor allem, dass ich im tiefen Wasser hundertprozentig sicher war, nicht zu ertrinken.
    * * *
    Maria
    Schon vor langer Zeit hatte ich begriffen, dass sich das Leben selten so entwickelt, wie man es erwartete. Wie hätte ich je vorhersehen können, dass ich mit zweiundachtzig die Blumenkästen der Chapmans mit Geranien bepflanzen würde? Und was das angeht: Wie hätte ich je vorhersehen können, dass meine Tochter Julie eines Tages eine Chapman werden würde?
    Als Julie und Ethan heirateten, waren wir wohl alle über die erstaunliche Tatsache hinweggekommen, dass wir den Sohn von Isabels Mörder umarmten und in unsere Familie aufnahmen. Niemand hatte in den letzten zwei Jahren mehr gelitten als Ethan. Er hatte seine gesamte Familie verloren und die furchtbare Wahrheit über seinen Vater erfahren, zu dem er immer aufgesehen hatte. Ich bewunderte seine positive Lebenseinstellung und Flexibilität. Er war einer von uns – ein Überlebender.
    Julie und Ethan teilten ihre Zeit zwischen Julies Haus in Westfield und diesem alten Bungalow in Bay Head Shores auf. Zuerst hatte ich nicht herkommen wollen. Allein bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um, doch ich behielt mein Unbehagen nicht für mich. Ich hatte entdeckt, dass man auch als alte Frau noch dazulernen kann. Vielleicht konnte man den Kern seiner Persönlichkeit nicht ändern – diese tief sitzende Identität –, aber man konnte seine Einstellung zu der Welt und sein Verhalten ändern. Ich hatte mich insofern verändert, als ich die Dinge nicht mehr in mich hineinfraß. Wenn mich eine Sorge oder auch eine Freude beschäftigte, rief ich eines meiner Mädchen an und ließ sie daran teilhaben. Als Julie zum ersten Mal vorschlug, mit ihnen in Ethans Haus zu fahren, erzählte ich ihr deshalb auch, wie schwer mir das fallen würde. Julie hörte mir aufmerksam zu und sagte dann, dass sie mich gerne dort hätte, doch sie könne meine Bedenken verstehen und die Entscheidung läge bei mir. Angesichts der Wahl, zu Hause in Westfield zu bleiben, während meine Familie ohne mich neue Sommertraditionen aufnahm, oder aber meinen Ängsten ins Auge zu sehen und an ihrer Zukunft teilzuhaben, entschied ich mich für Letzteres. Es wurde nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Von Ethans Garten aus sah die Welt anders aus als von unserem. Ich verbrachte so viel Zeit wie möglich mit ihnen – natürlich nur, wenn ich mich vom McDonald’s freimachen konnte.
    * * *
    Julie
    Es war so friedlich auf der Veranda. Ich hatte den
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