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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester
Autoren: Diane Chamberlain
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weiß.”
    “Bist du sicher, dass er … dass er derjenige war, der …” Er schien den Satz nicht beenden zu können.
    “Ich weiß es nicht, Ethan”, erwiderte ich. “Ich weiß nicht, was ich denken soll.”
    “Ich muss mit ihm sprechen”, erklärte er. “Persönlich. Würdest du vielleicht mit mir kommen?”
    Ich dachte daran, wie Lucy die Last der Vergangenheit mit mir teilte. Ethan hatte niemanden. Ich wollte nicht, dass er dies allein durchmachen musste. “Natürlich komme ich mit.”
    Und so saß ich hier also, während meine verwirrte Tochter mit dem Vater ihres Babys irgendwo da draußen war und Lucy unsere aufgelöste Mutter tröstete.
    Ich sah Ethans Pick-up auf den Parkplatz fahren und stieg aus, als er neben mir hielt.
    Kaum war auch er ausgestiegen, umarmte er mich. “Danke, dass du hier bist”, flüsterte er mir ins Ohr. Er hielt mich eine Minute im Arm, und ich presste mich fest an ihn.
    “Bist du okay?”, flüsterte ich.
    Er ließ mich los. “Nicht wirklich”, sagte er. Ich bemerkte seine gerunzelte Stirn und die verspannten Kiefermuskeln.
    “Weiß dein Vater, dass wir kommen?”
    Er nickte und nahm meine Hand, als wir zum Eingang des großen Ziegelsteingebäudes gingen. “Ich habe ihn angerufen und hätte ihm fast alles erzählt, weil er immer wieder nachfragte. Ich sagte, dass deine Mutter euch von ihrer Beziehung zu ihm erzählt hat und auch von der Möglichkeit, dass er Isabels Vater gewesen sein könnte”, sagte er. “Und ich erzählte ihm von der Nachricht in der Giraffe.”
    “Was hat er gesagt?”
    “Erst mal gar nichts. Dann hörte ich ihn weinen.” Ethan schauderte und presste meine Hand. “Ich habe meinen Vater nie weinen sehen. Ich habe ihn nicht einmal den Tränen nahe gesehen, weder als meine Mutter noch als Ned starb. Er brachte kein Wort heraus, und ich sagte ihm, dass ich herüberkäme und er sich keine Sorgen machen solle. Dass wir schon alles klären würden.” Wir waren jetzt in der Lobby, und Ethan drückte auf den Fahrstuhlknopf. “Er sagte: ‘In Ordnung.’ Ich schwöre dir, Julie, er klang wie ein verängstigtes kleines Kind.”
    Zwei Bewohner der Residenz – zwei ältere Frauen mit Gehwagen – betraten mit uns den Fahrstuhl, weshalb wir bis zum fünften Stock schwiegen. Oben angekommen, verließen wir den Fahrstuhl, und Ethan führte mich rasch den Gang entlang. Er klopfte an eine Tür, an der ein kleines Gebinde aus künstlichem Efeu hing. Wir hörten Geräusche von drinnen. Einen Aufprall. Ein Quietschen. Doch niemand antwortete auf Ethans Klopfen.
    Ethan lehnte sich dicht an die Tür. “Dad?”, rief er. Noch immer keine Antwort.
    Er sah hinunter auf seinen Schlüsselbund und sortierte die Schlüssel, bis er den richtigen fand. Er steckte ihn ins Schloss und stieß die Tür auf.
    Wir befanden uns in einem kleinen Zimmer, halb Wohn-, halb Esszimmer, mit schweren dunklen Kirschmöbeln und Lehnsesseln als altem Leder, wie sie zu einem früheren Richter passten.
    “Dad?”, rief Ethan nach nebenan, wo das Schlafzimmer sein musste. Er machte einen Schritt in die Richtung, erstarrte jedoch, als er einen Schrei von irgendwo draußen hörte. Wir sahen zu den Fenstern im Wohnzimmer. Eines stand offen.
    “Oh Gott, nein!” Ethan rannte zum Fenster.
    Ich folgte ihm und legte die Hand auf seinen Rücken, als er sich hinauslehnte, um nach unten zu sehen.
    “Nein!”
, schrie er. “Oh, mein Gott!
Nein
.”
    Unten erklangen nun mehrere Schreie, und ich begann zu zittern. Ich wollte nicht sehen, was Ethan sah. Er richtete sich auf und sackte auf dem Boden zusammen, wo er sein Gesicht in den Händen vergrub. Ich hockte mich neben ihn, schlang die Arme um ihn und wiegte ihn hin und her, während wir die Sirenen näher kommen hörten.
    Mr. Chapman hatte das zweite Schlafzimmer in seinem Apartment als Büro benutzt. Dort, auf einem ansonsten leeren Schreibtisch, fand einer der Polizisten den an Ethan adressierten Brief.
    Liebster Sohn!
    Am 5. August 1962 kam Isabel Bauer in unseren Garten und steckte mir einen Zettel zu. Das war die Nachricht, die ihr gefunden habt, in der sie androhte, ihrem Vater von meiner Unbesonnenheit mit ihrer Mutter zu erzählen. Nach all diesen Jahren wirst du vermutlich kaum verstehen, wie bedrohlich das für mich war. Charles Bauer konnte meiner Karriere sehr schaden. Er hatte Einfluss und viele Freunde in höheren Positionen. Er hätte mich und meine politischen Ambitionen leicht vernichten können.
    Ich wusste, dass Ned Isabel oft
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