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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen
Autoren: Kathy Reichs
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raffte meine Papiere zusammen, verließ das Zimmer und tanzte fast durch den Empfangsbereich und den Gang mit den Fakultätsbüros entlang. Alle Türen waren geschlossen. Natürlich waren sie das. Die Benutzer waren eingepfercht in einem fensterlosen Zimmer, um administrative Trivialitäten zu besprechen.
    Ich fühlte mich beschwingt. Frei!

    Ich betrat mein Büro und wählte Larabees Nummer. Mein Blick wanderte zum Fenster. Vier Etagen unter mir strömten Studentengruppen zwischen Nachmittagsseminaren hin und her. Lange, schräge Strahlen bronzierten die Bäume und Farne im Van Landingham Glen. Als ich zu der Sitzung gegangen war, hatte die Sonne genau senkrecht gestanden.
    »Larabee.« Seine Stimme war ein wenig hoch und hatte einen weichen, südlichen Akzent.
    »Tempe hier.«
    »Hab ich Sie aus irgendwas Wichtigem herausgerissen?«
    »Prätentiöse Wichtigtuerei.«
    »Wie bitte?«
    »Egal. Geht’s um die Wasserleiche aus dem Catawba River?«
    »Ein Zwölfjähriger aus Mount Holly namens Anson Tyler. Die Eltern waren auf Zockertour in Las Vegas. Kamen vorgestern zurück und stellten fest, dass der Junge seit einer Woche nicht mehr zu Hause war.«
    »Wie konnten sie das so genau feststellen?«
    »Sie haben die verbliebenen Pop-Tarts gezählt.«
    »Haben Sie sich medizinische Unterlagen beschaffen können?«
    »Ich will natürlich Ihre Meinung hören, aber ich würde wetten, dass die gebrochenen Zehen auf Tylers Röntgenaufnahmen denen unseres Opfers entsprechen.«
    Ich stellte mir den kleinen Anson allein zu Hause vor. Fernsehen. Erdnussbutter-Sandwiches schmieren und Pop-Tarts toasten. Bei eingeschaltetem Licht schlafen.
    Meine Beschwingtheit verschwand. »Welche Trottel verreisen und lassen einen zwölfjährigen Jungen allein zu Hause?«
    »Die Tylers werden bestimmt nicht für die Eltern des Jahres nominiert.«
    »Werden sie sich wegen Vernachlässigung verantworten müssen? «
    »Minimal.«

    »Ist Anson Tyler der Grund Ihres Anrufs?« Laut Naomi hatte Larabee gesagt, es sei dringend. Eine eindeutige Identifikation fällt normalerweise nicht in diese Kategorie.
    »Zuerst.Aber jetzt nicht mehr. Hatte eben einen Anruf von den Jungs vom Morddezernat. Kann sein, dass die eine ziemlich üble Sache haben.«
    Ich hörte zu.
    Beklommenheit vertrieb auch noch den letzten Rest meines beschwingten Zwischenhochs.

2
    »Kein Zweifel, dass die Knochen menschlich sind?«
    »Zumindest ein Schädel.«
    »Es gibt mehr als einen?«
    »In der Meldung wurde diese Möglichkeit angedeutet, aber die Beamten wollten nichts anrühren, solange Sie nicht da sind.«
    »Gut mitgedacht.«
    Szenario: Bürger stolpert über Knochen, ruft die 911. Polizei kommt, denkt, es ist altes Zeug, fängt an, einzutüten und zu beschriften. Ende vom Lied: Der Kontext ist verloren, der Fundort versaut. Ich muss in einem Vakuum arbeiten.
    Szenario: Hund buddelt heimliches Grab auf. Der örtliche Coroner macht sich mit Schaufeln und einem Leichensack daran. Ende vom Lied: Teile werden übersehen. Ich bekomme Überreste mit vielen Lücken.
    Wenn ich mich mit solchen Situationen herumschlagen muss, sind meine Bemerkungen nicht immer freundlicher Natur. Im Lauf der Jahre ist meine Botschaft angekommen.
    Dazu kommt, dass ich für den ME in Chapel Hill und die Polizei von Charlotte-Mecklenburg einen Leichenbergungs-Workshop gebe.
    »Der Cop meinte, der Fundort stinkt.«

    Das klang nicht gut.
    Ich griff mir einen Stift. »Wo?«
    »Greenleaf Avenue, drüben im First Ward. Haus wird gerade renoviert. Der Klempner hat eine Wand aufgeschlagen und eine Art unterirdische Kammer entdeckt. Moment mal.«
    Papier raschelte, dann las Larabee die Adresse vor. Ich schrieb mit.
    »Anscheinend war dieser Klempner völlig aus dem Häuschen. «
    »Ich kann sofort hinfahren.«
    »Das wäre gut.«
    »Bis in dreißig Minuten dann.«
    Ich hörte ein Stocken in Larabees Atmung.
    »Probleme?«, fragte ich.
    »Ich habe ein Mädchen offen auf dem Tisch liegen.«
    »Was ist passiert?«
    »Die Fünfjährige kam aus dem Kindergarten nach Hause, aß einen Donut, klagte über Bauchschmerzen und kippte um. Zwei Stunden später wurde sie im CMC für tot erklärt. Die Geschichte ist herzzerreißend. Das einzige Kind, keine Vorerkrankungen, bis zu dem Vorfall völlig symptomfrei.«
    »O Gott. Was hat sie umgebracht?«
    »Kardio-Rhabdomyom.«
    »Das ist?«
    »Ein verdammt großer Tumor in der Herzscheidewand. Kommt in dem Alter sehr selten vor. Die Kinder sterben normalerweise bereits als
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