Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Titel: Der Tod kann mich nicht mehr überraschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
Vom Netzwerk:
aus dem beruflichen Alltag.
Karl klang bitterernst. »Ich aber!« Sein Gesicht wurde grau und kalt wie ein Stein. »Und hat Gott darauf reagiert?« Er erwartete keine Antwort. »Nein! Das tat er nicht. Die Strafe Gottes gibt es nicht!«
Marvin stellte sich vor, was Karl so Schlimmes verbrochen hatte. Wahrscheinlich so etwas in der Richtung Altar missachtet, Gottesfigur weggeworfen, seine Haushälterin vernascht oder sonstiges Sündhaftes. Schade, es vielleicht nie zu erfahren, dachte er. Doch das Gespräch mit Karl war wohl die ansehnlichste Beichte, die Marvin bisher erleben durfte, eigentlich eine Offenbarung.
Bevor er ging, redete Karl noch davon, dass er seine Lebensumstände prüfen wollte. In letzter Zeit wäre außer seinen Zweifeln da noch etwas, was ihn sehr beschäftigte und über das er sich klar werden wollte. Er wüsste übrigens von einem sehr guten Hospiz, den ein Freund von ihm leiten würde.
Marvin dachte noch lange über Karl nach. Seine eigene spirituelle Suche ging somit erst einmal ins Leere. Von wegen Pfarrer! Und dann die Sache mit dem Hospiz. Hospiz – ein Ort zum Sterben. Er stellte sich vor, an so einem Ort in einem Zimmer zu liegen. Rings um ihn herum allgegenwärtiger Tod, eine einzige Stufe vor dem Friedhof noch. Ja – er wusste, dass er sich damit abfinden sollte. Vielleicht ging es ihm einfach noch nicht schlecht genug, war ihm sein drohender Tod noch nicht nah genug gerückt, war noch zu viel Leben in ihm. Marvin hatte noch etwas vor. Er wollte seine eigene Beerdigung planen. Hierzu brauchte er jedoch Beratung, wusste er doch absolut nichts über Beerdigungen. Er ließ sich von Sabine ein Telefonbuch geben.

Herr König war der bekannteste Bestatter am Ort. Selbst Marvin hatte über einen Nachbarn in seiner Wohngegend schon von ihm gehört. Als er auf seine Einladung hin zur Tür hereinkam, erschien er beladen mit einer Last von Katalogen und Ordnern unter beiden Armen. Er trug einen einwandfrei gebügelten anthrazitfarbenen Anzug an seinem gewichtigen Leib, der aber trotzdem nicht richtig saß, eine Anstecknadel mit seinem Firmenlogo – ›Heimgetragen wie ein König‹ – graues, schütteres Haar und eine passende todernste Miene. Flüchtig sah er sich in Marvins Zimmer um und nach Ablage seiner Katalog- und Ordnerberge auf dem Tisch, reichte er Marvin eine verschwitzte kräftige Hand.
»Herr Abel?«
Marvin nickte und versuchte, sich aus dem viel zu festen Händedruck zu winden.
»Mein Name ist König, von ›Bestattungen König‹!«
Während er sich vorstellte, verbeugte sich Herr König altmodisch einen Tick zu tief, sodass er in Marvins Augen haarscharf an der Grenze zur komischen Figur agierte. Wenn er ihm beim Handschlag nun noch ein ›Ich spreche Ihnen mein tiefstes Mitgefühl aus‹ entgegengeflüstert hätte, hätte das Marvin nicht verwundert. Aber das tat er nicht. Glücklicherweise ließ er auch endlich seine Hand los.
»Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es um Ihre eigene Beerdigung?«
Herr König sprach seine Feststellung im Tonfall einer Frage aus.
»So ist es!«
Marvin erwartete jetzt ein überraschtes Gesicht seines Gegenübers. Doch für den Bestatter schien dies keine neue Situation zu sein. Er presste seine Lippen zusammen und nickte mit einem Ausdruck knapper, aber nicht zu tiefer Bewunderung.
»Da sind Sie nicht der Einzige, der sich im Vorfeld erkundigt!«, teilte Herr König mit und nahm einen der schwarzen Ordner vom Tisch. Mit Blick auf den Besucherstuhl fragte er: »Ich darf doch?«
Dann setzte er sich und der arme Holzstuhl knirschte nicht wenig unter der Schwere seines Gewichtes.
»Haben Sie denn schon eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie unter die Erde gebracht werden wollen?«
»Nein«, entgegnete Marvin, obschon ihm die Verbrennung vorschwebte, sehr gespannt, was der Fachmann aus dem leblosen Gewerbe ihm vorschlagen würde. Ein interessanter Mann, dieser Bestatter, so energiegeladen, so direkt. Keine Frage natürlich für ihn, ob Marvin überhaupt in nächster Zeit sterben würde. Marvins Tod, seine Beerdigung, dieses Gespräch darüber – alles vollkommen natürlich für ihn.
»Und Sie möchten sicher auch wissen, was so eine Beerdigung kostet.«
Herr König begann mit seinen Ausführungen über verschiedene Beerdigungsformen, über Särge, deren Kosten, Leichenhemden, die immer zu tragen seien, egal, ob verbrannt oder nicht, und über Sargträger.
»Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie schwer es Sargträger haben?«
Marvin wusste

Weitere Kostenlose Bücher