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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
Autoren: Edith Kneifl
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alten Grantscherben die Frau davongelaufen war, hatte er das Kabinett aufgegeben. Gustav hatte sogleich darauf gespitzt. Vor einem Monat hatte seine Tante Vera es jedoch an Eduard vermietet, einen Bierkutscher aus Brünn, der für einen Fiakerbesitzer arbeitete.
    Von allen Wiener Kaffeehäusern war Gustav das Café Schwarzenberg am liebsten. Die mit dunkelbraunem Holz getäfelten Wände, die marmornen Tische, die mit tabakbraunem Leder überzogenen Clubsessel und die schönen Luster, die an der mit kleinen weißen Kacheln gefliesten Decke hingen, erinnerten ihn an die Einrichtung britischer Männerclubs. Nach seinem Abschied vom Militär hatte er ein Jahr in London verbracht. Anstatt an der neu gegründeten London School of Economics ernsthaft zu studieren, hatte er seine Tage in den Londoner Clubs verbracht. Allerdings hatte er im Herbst 1895 doch einige Vorlesungen in der John Street besucht und notgedrungen etwas von den Diskussionen um Klassenunterschiede und die neuen Wege des sozialen Fortschritts mitbekommen. Der Besuch dieses Colleges war die Idee seiner Tante gewesen. Eine englische Freundin hatte ihr diese fortschrittliche Institution empfohlen.
    Als Gustav seinen Kleinen Schwarzen ausgetrunken hatte und bereits beim zweiten Glas Wasser angelangt war, hatte er die Hoffnung aufgegeben, dass die Dame noch kommen würde. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, sich hier mit ihr zu verabreden. Damen der besseren Gesellschaft gingen höchstens nach einer Soiree oder einem Ball in ein Kaffeehaus, und dann nur in Herrenbegleitung.
    Plötzlich erschien eine verschleierte Frau in der Tür. Er wusste sofort, dass es sich um seine neue Klientin handelte. Sie blickte sich hastig um, bevor sie unsicheren Schrittes das Lokal betrat. Offensichtlich fühlte sie sich unwohl.
    Trotz der Hitze war sie ganz in Schwarz gekleidet. Ein hauchdünner schwarzer Schleier hing von ihrer ausladenden Kopfbedeckung herab. Ihre Figur war tadellos. An den richtigen Stellen gut gepolstert. Ein kritischer Blick auf ihr Gesicht, das trotz des raffinierten Netzwerks zu sehen war, und er konstatierte, dass sie einige Jahre jünger sein musste als er.
    Als sie zögernd auf seinen Tisch zutrat, sprang er auf und verbeugte sich tief.
    „Gustav von Karoly. Sehr erfreut!“
    Sie reichte ihm die Hand.
    Er ergriff sie sanft und hauchte einen Kuss auf ihre behandschuhten Finger.
    „Bitte nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?“ Er war sich bewusst, dass er ein bisschen zu schnell vorging. Es mangelte ihm eben noch an Erfahrung in seinem neuen Beruf. Die Dame in Schwarz würde erst sein dritter Fall sein, wenn es ihm überhaupt gelänge, sie davon zu überzeugen, dass er der richtige Mann für die Lösung ihres Problems war.
    Er vermutete ein Liebesdrama. Waren doch seine ersten beiden Klienten engstirnige, eifersüchtige Ehemänner gewesen. Dass dieses Mal ein weibliches Wesen seine Dienste beanspruchen könnte, erregte ihn ungemein.
    Vor zwei Tagen war ihr Brief in einem zart parfümierten champagnerfarbenen Kuvert bei ihm eingelangt. Er hatte ihr durch einen Boten umgehend eine Antwort geschickt. Und nun war sie tatsächlich zu dem Treffpunkt, den er vorgeschlagen hatte, erschienen. So viel Glück musste man erst einmal haben, dachte er und bemühte sich, seinen Fehler von vorhin wieder gutzumachen.
    „Was darf ich Ihnen bestellen? Eine Melange und einen Apfelstrudel vielleicht? Der Apfelstrudel hier ist sehr empfehlenswert.“
    „Nein, danke. Ich möchte lieber ein Glas Tokajer.“
    Ihre heisere rauchige Stimme jagte köstliche kleine Schauer über seinen Rücken.
    Energisch winkte er den Kellner herbei und bestellte zwei Achterl, obwohl es erst zwölf Uhr mittags war und er normalerweise tagsüber keinen Alkohol trank. Aber er wollte keinesfalls als Weichling dastehen.
    „Margarete von Leiden“, stellte sie sich überflüssigerweise vor.
    Er hatte nach ihrem Brief bereits recherchiert, wusste, dass sie die Witwe des Barons von Leiden war. Viel interessanter als ihren verstorbenen Ehemann fand er allerdings ihren Vater. Herr von Schwabenau war ein stadtbekannter Wiener Fabrikbesitzer, der beim Bau der neuen Eisenbahnlinien viel Geld verdient hatte. Sein Stahl- und Eisenwerk hatte einen Großteil des österreichischen Schienennetzes hergestellt. Neben Eisenbahnschienen und Waffen wurden in seiner Fabrik auch komplizierte technische Apparaturen für den Wiener Vergnügungspark erzeugt. Viele der wundersamen neumodischen Attraktionen
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