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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
Autoren: Edith Kneifl
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im Volksprater, wie der Wurstelprater seit 1873 offiziell hieß, waren von Schwabenaus Ingenieuren entwickelt worden. Nur zuletzt, beim Bau des größten Wunderwerks der Technik, dem Riesenrad, war er laut Zeitungsberichten von Gabor Steiner ausgebootet worden. Seither hatten sich die Schwabenau-Werke draußen in Hernals wieder mehr auf die Waffenproduktion verlegt.
    Auf einmal bildete sich Gustav ein, dass Margarete von Leiden weniger nach Veilchen als nach tödlichem Pulver roch. Dennoch schwebte er im siebten Himmel und wusste nicht, bei welchem Heiligen er sich für diese Klientin bedanken sollte.
    Ihre Vornehmheit schien nicht gespielt zu sein. Gustav meinte, ein gutes Gespür für Menschen zu haben. Auch wenn ihr Vater, ursprünglich ein einfacher Wagner, wahrscheinlich wegen seiner Verdienste um die Waffenproduktion im letzten Krieg geadelt worden war, hatte sie Klasse. Bestimmt hatte der Alte bei der Erziehung seiner einzigen Tochter keine Kosten gescheut. Gustav tippte auf ein Schweizer Internat.
    Da das Schweigen zwischen ihnen bereits unangenehm wurde, fragte er noch einmal, was er für sie tun könne.
    „Entschuldigen Sie, ich bin ein bisschen verwirrt. Hier ist es so laut. Ich war noch nie in einem Kaffeehaus.“ Sie warf einen neugierigen Blick in den benachbarten Salon, der mit seinen hellen marmornen Wänden und riesigen Spiegeln viel luftiger wirkte.
    Gustav dachte nicht im Traum daran, seinen Stammtisch gegen eines der filigranen Messingtischchen dort drüben einzutauschen. Dies war schließlich kein privates Stelldichein, sondern ein rein geschäftlicher Termin.
    „Meine Tochter ist spurlos verschwunden“, seufzte sie endlich. „Mein Vater hat all seine Beziehungen spielen lassen, aber leider nichts in Erfahrung bringen können.“ Sie nahm ein mit Spitzen besetztes Taschentuch aus ihrem Beutel, hob ihren Schleier und trocknete ihre feuchten Wangen.
    Schneeweißer Teint, eine süße kleine Stupsnase, geheimnisvolle hellviolette Augen, sinnliche Lippen. Gustav malte sich aus, wie er diese Lippen mit seinen Küssen zum Glühen bringen würde. Sein Blick wanderte zu ihren hohen festen Brüsten. Ihm wurde ganz heiß und seine Schenkel begannen zu vibrieren.
    „Sollten Sie mich nicht fragen, seit wann ich meine Tochter vermisse?“
    Ihr leicht ironischer Ton riss ihn aus seinen süßen Träumen.
    „Ja, natürlich, ja …, wann und wo haben Sie Ihr Kind zum letzten Mal gesehen?“
    „Vorigen Sonntag. Wir waren im Lusthaus zu einem Galadiner eingeladen. Kurz bevor wir aufbrechen wollten, fiel mir auf, dass Leonie, die schon vor einer Weile die Tafel verlassen hatte, nicht mehr zurückgekehrt war. Ich befürchtete, dass ihr das üppige Mahl nicht bekommen war. Jedenfalls machte ich mich sogleich auf die Suche nach ihr. Draußen dunkelte es bereits. Ich musste die Suche bald aufgeben, informierte aber meinen Vater, und er schickte unseren Kutscher und ein paar Kellner mit Fackeln los. Als sie unverrichteter Dinge zurückkamen, fuhren wir nach Hause, in der Hoffnung, sie vielleicht dort anzutreffen. Doch zu Hause war sie auch nicht. Mein Herr Papa suchte mit seinen Leuten die halbe Nacht lang die ganze Umgebung des Lusthauses ab. Ohne Erfolg.“ Margarete von Leiden verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.
    „Bitte beruhigen Sie sich!“ Weinende Frauen riefen bei Gustav ein Gefühl völliger Hilflosigkeit hervor.
    Sie beruhigte sich tatsächlich relativ rasch.
    „Am nächsten Morgen ließen mein Vater und ich uns in die Freudenau bringen und anschließend zur Trabrennbahn in der Krieau. Es mag für Sie etwas eigenartig klingen, aber meine Tochter ist eine große Pferdeliebhaberin …“
    Bevor sie wieder zu weinen anfing, fragte Gustav schnell: „Und dann sind Sie auf das Kommissariat gegangen?“
    „Nein! Wo denken Sie hin?“
    „Warum nicht?“
    Sie nippte an ihrem Weinglas, schien über eine Antwort erst nachdenken zu müssen.
    „Ich möchte mir erst sicher sein, dass ich Ihnen vertrauen kann, bevor ich mit Ihnen offen über familiäre Angelegenheiten spreche.“ Sie taxierte ihn herablassend.
    Wenn Gustav eines nicht leiden konnte, dann waren es arrogante Adelige. Er war ein überzeugter Liberaler und großer Anhänger der Französischen Revolution und der gescheiterten Märzrevolution in den späten vierziger Jahren. Das Biedermeier und die politische Restauration hatten in seinen Augen alle grandiosen Ideen zunichte gemacht.
    Er musterte sie mindestens ebenso arrogant wie sie ihn.
    „Sie
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