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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
Autoren: Edith Kneifl
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von der Stadt getrennt gewesen. Dieser unbebaute, vierhundertfünfzig Meter breite Wiesengürtel war früher als Exerzier- und Paradeplatz und als Erholungsgebiet genutzt worden. 1857 hatte Kaiser Franz Joseph das Billet zum Abbruch der Stadtmauern unterzeichnet. Die jahrzehntelangen Bauarbeiten waren bis heute nicht abgeschlossen. Aber zumindest waren seit 1890 die Vorstädte mit der Innenstadt vereint.
    Als sie bei der Himmelpfortgasse angelangt waren, ertönte ein ohrenbetäubendes Poltern und Krachen. Lautes Wiehern, brüllende Stimmen, verzweifelte Schreie, zwischendrin leises Wimmern. Die Pferde einer Droschke waren durchgegangen. Das filigrane offene Gefährt war mit dem Waggon einer Pferdetramway zusammengeprallt und umgekippt. Die Geschirre der Pferde hatten sich ineinander verheddert. Zwei Pferde waren gestürzt. Die Insassen der Droschke lagen auf der Straße. Ein kleiner Junge war unter die Hufe eines Gauls geraten. Er blutete am Kopf. Die Frau, die sich kreischend über den Jungen beugte, war ebenfalls blutüberströmt. Das andere Kind, ein Mädchen von etwa vier Jahren, lag regungslos unter dem linken Hinterrad der Droschke.
    Gustav wollte den Kindern zu Hilfe eilen. Margarete von Leiden presste sich jedoch eng an ihn, verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und flüsterte unter Tränen: „Bitte bleiben Sie bei mir.“
    Er streichelte ihren Rücken, um sie zu beruhigen.
    „Es wird alles gut. Die Sicherheitswache ist schon da.“ Er fand sowohl sein Verhalten als auch seine Worte idiotisch. Obwohl sein bester Freund Rudi Kasper Oberkommissär bei der Polizei war, hielt er nicht viel von den k.k. Ordnungshütern. Gustav hatte prinzipiell ein Problem mit Autoritäten.
    Ein Schuss und gleich darauf ein zweiter ließen Margarete von Leiden heftig zusammenzucken. Gustav befürchtete, sie würde jeden Moment in Ohnmacht fallen. Der Uniformierte hatte die beiden Pferde von ihren Qualen erlöst. Als Gustav genauer hinsah, bemerkte er, dass sich eines der Pferde noch bewegte. Auch Margarete sah es.
    „Tierquälerei! Erschießen Sie den armen Gaul endlich!“, schrie sie.
    Als der dritte Schuss ertönte, drängte sie darauf, weiterzugehen. Gustav zögerte. Sie zog ihn mit sich.
    Nach ein paar Metern waren sie vor dem Eingangstor des Palais Schwabenau angelangt. Das Palais wirkte höher als die anderen fünfstöckigen Bauten rundum. Es protzte durch einen Dachaufbau, obwohl für die moderne Wiener Architektur ein gerader Gesimsabschluss ohne Dach, Kuppel oder andere Aufbauten typisch war.
    Margarete schloss das schwere Eichentor auf und ging voran. In dem prächtigen Stiegenhaus aus weißem Marmor standen riesige Kandelaber und lebensgroße neoklassizistische Statuen.
    „Mein Vater ist herzkrank und hat einen hohen Blutdruck. Er darf sich nicht aufregen“, sagte Margarete von Leiden leise, als sie die breite Treppe in die Beletage hinaufgingen. „Lassen Sie mich bitte zuerst allein mit ihm sprechen.“ Sie wirkte sehr nervös.
    Gustav blieb ein paar Schritte hinter ihr zurück. Obwohl es seinen guten Manieren widersprach, hinter einer Frau die Stufen hinaufzusteigen, genoss er es, mit seinem Blick den aufreizenden Bewegungen ihrer Hüften folgen zu dürfen. Da er nur Augen für ihren durch eine große Schleife betonten Hintern hatte, lief er fast in einen der beiden mannshohen Kerzenständer am Ende der Treppe.
    Die Wände der weitläufigen Galerie im ersten Stock waren holzgetäfelt. Eine mit Gold verzierte Kassettendecke ließ den Raum niedriger erscheinen, als er war. Der Geruch von Holzpolitur stieg Gustav in die Nase. Er musste niesen.
    „Gesundheit“, wisperte Margarete von Leiden.
    Als sie den Salon betrat, bedeutete sie ihm, in der Galerie zu warten. Allerdings schloss sie die Tür nicht ganz hinter sich.
    „Ich habe einen Gast mitgebracht, Papa. Herr Gustav von Karoly ist Privatdetektiv und wurde mir vom Doktor Lipschitz wärmstens empfohlen. Er wird Leonie finden, glaub mir …“, hörte Gustav sie sagen.
    Sie wurde von einer lauten, polternden Männerstimme unterbrochen. Herr von Schwabenau schimpfte, dass sie ihm einen Fremden ins Haus brachte. Obwohl er wahrscheinlich wusste, dass Gustav vor der Tür wartete, senkte er seine Stimme nicht, sondern maßregelte sie lautstark: „Dumme Gans …, nichts als Flausen im Kopf, genau wie deine Tochter … Ich habe eure Faxen gründlich satt!“
    Für Gustav hatte er ebenfalls nur beleidigende Worte übrig: „Glaubst du im Ernst, dass so ein
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