Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Gedächtnis vergeblich nach Badeszenen, bei denen ich Hansi hinten gezwickt hatte. In den letzten sechs Jahren war es bestimmt nicht mehr geschehen.
    Kurze Zeit später schloß ich die Wohnung hinter uns ab und trug Hansis Köfferchen zum Wagen. Wir nahmen nicht die Autobahn, sondern die alte kurvenreiche Straße nach Wasserburg. Hansi saß neben mir, die Hand mit dem Ring lag auf meinem Arm. Die Sonne glühte herunter, und obwohl ich das Verdeck zurückgeschlagen hatte, brachte der Fahrtwind keine rechte Erfrischung. Hansi kämpfte mit der Müdigkeit. Auch ich spürte die schlaflose Nacht und griff nach den Zigaretten.
    »Dir hat der Whisky wenigstens geholfen, aber ich hätte noch eine zweite Flasche anbrechen können, und es wäre doch zwecklos gewesen. Ich wurde immer nur wacher. Und ich habe Träume gehabt, so wirr und verrückt und in solch glühenden Farben wie die Träume von Haschischrauchern.«
    »Wovon hast du geträumt?«
    Ich nahm den Fuß vom Gashebel und ließ den Wagen ausrollen, bis wir im Schatten eines uralten, mächtigen Ahorns hielten. Die Luft zitterte über dem schwarzen Asphalt wie geschmolzenes Glas, und die Fahrzeuge, die uns entgegenkamen, schienen zu schwimmen und hatten merkwürdig verzerrte Konturen.
    »Ja, wie war das doch? Ich rannte durch die Korridore eines riesigen Palastes. Rechts waren hohe Fenster, deren Kreuze die Sonne scharf auf den Boden malte, und links öffneten sich breite Flügeltüren, an denen ich vorüberlief, auf eine kleine Pforte zu, die weit hinten im Dunklen lag und mich mit magischer Kraft anzog. Und eine Flammenschrift erschien und schrieb drei Worte auf diese Tür...«
    »Was für Worte?« fragte Hansi und sah mich aus großen Augen an.
    »Keiner von beiden.«
    »Keiner von beiden? Was soll das bedeuten?«
    »Ach, es würde zu weit führen, dir das zu erklären. Es waren Worte, die Wildermuth aussprach, als ich gestern bei ihm war. Wir unterhielten uns über einen interessanten Kriminalfall.«
    »Erzähl, wie ging dein Traum weiter?«
    »Ich öffnete die Pforte und sah einen Raum, der wie eine kleine Kapelle eingerichtet war. Und vor einem hohen gotischen Altar kniete eine Frau und heulte wie ein Wolf. Aber immer, wenn ich ihr Gesicht zu erkennen versuchte, drehte sie sich zur Seite, bis ich sie mit Gewalt herumriß — und da hatte sie ein Gesicht wie aus Brei, völlig konturlos, ein Gesicht ohne Augen, ohne Nase, ohne Mund. Und plötzlich kamst du und stelltest dich zwischen sie und mich, und du hattest ein Gewand wie ein Erzengel an, aber statt des Flammenschwertes schwangst du eine leuchtende Glocke in der Hand, und du riefst mir etwas zu, aber die Glocke übertönte deine Worte. Und ich versuchte, sie von deinen Lippen abzulesen. Du sagtest: Tu ihr nicht weh...«
    Hansi krümmte sich zusammen. »Ein schrecklicher Traum«, flüsterte sie.
    Und ich starrte in die kochende Luft und sah das Traumgesicht so deutlich vor mir, als träumte ich es zum zweitenmal, und hörte Hansis Stimme und das Gellen der Glocke und konnte plötzlich von ihren Lippen ablesen, was sie mir zugerufen hatte. Und wußte plötzlich, wer Manueli getötet hatte.
    Daß ich nicht längst daraufgekommen war! Daß weder Stephan noch Victoria, weder Alexander noch Hansi je den geringsten Verdacht gehabt hatten! Es war fast unbegreiflich...
    »Du sagtest«, stammelte ich mit zugeschnürter Kehle, »>tu ihr nicht weh, du weißt doch, wie sie an Vimmy hängt< — Das sagtest du. Und der Traum, den ich geträumt habe, enthielt kein Element, das ihr beide, du und Alexander, mir nicht schon längst erzählt habt. Kein einziges! Ich muß blind gewesen sein, blind und taub, und nur mein Unterbewußtsein hat eure Worte registriert und festgehalten, die durch den Verstand wie durch ein Sieb gefallen sind.«
    »Was willst du damit sagen? Ich verstehe kein Wort und habe keine Ahnung, was ich dir gesagt haben soll!«
    »Hör zu!« rief ich erregt, »zwei- oder dreimal hast du dich, wenn die Rede auf Sofie und ihr verstörtes Wesen kam, fast wörtlich wiederholt, indem du sagtest: Du weißt doch, wie sie an Vimmy hängt! Und du hast mir erzählt, daß du dich zu Sofie flüchten wolltest, als du die Pistole im Schreibtisch deines Vaters nicht fandest, und daß Sofie in ihrer Kammer von dem Kruzifix auf den Knien lag und lallte, als ob sie den Verstand verloren hätte. Das hast du mir gestern abend erzählt. Und als Alexander mich anrief, da sagte auch er mir, daß Sofie auf ihn den Eindruck mache, als ob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher