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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers
Autoren: Horst Biernath
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in der Klinik bin, Schwester Mechthildis. Ich komme sofort, aber sagen Sie Herrn Textor lieber nicht, daß ich ihn besuchen will.«
    Im Zimmer roch es nach Alkohol und nach den Zigarettenstummeln im Aschenbecher, den ich nicht ausgeleert hatte. Ich riß die Fenster auf und ließ die wunderbar frische Luft herein. Die Bäume sahen nach dem Gewitterregen zartgrün wie im Frühling aus, und im Gras glitzerten Milliarden Diamanten. Der Himmel war blau wie Seide, und die Sonne kletterte golden über die Dächer. Ich ging ins Badezimmer, um mich zu duschen, und trank in langen Zügen das frische Wasser, um mich auch innerlich zu reinigen. Die verdammten Zigaretten! Der verfluchte Schnaps! Jedes einzelne Haar tat mir weh, als ich den Kamm durch die Mähne zog.
    In der Küche, in der ich mir einen anständigen Kaffee brauen wollte, stand das Wasser schon auf der Flamme, und Hansi war gerade dabei, die Tassen von gestern zu spülen. Sie trug ein grünes Samtband im Haar und sah — wie Frau Justizrat Arndt gestern so poetisch und treffend bemerkt hatte — frisch wie eine Rose aus.
    »Guten Morgen, mein Herz, hast du gut geschlafen?«
    »Wie ein Murmeltier.«
    »Keinen Kuß, mein Liebling, bevor ich nicht rasiert bin! Ich kratze wie ein Reibeisen.«
    Sie rieb sich trotz der Warnung an meiner Wange.
    »Auch das ist gut«, murmelte sie. »Es sticht wie eine Stahlbürste, aber es ist gar nicht unangenehm.«
    Ich holte meinen Rasierapparat.
    »Sag mal, Paul, hast du soeben mit der Klinik telefoniert? Mir war so, als hätte ich den Namen von Schwester Mechthildis gehört.«
    »Ja, sie rief mich an.«
    »Es geht doch Paps nicht etwa schlechter?«
    »Nein, nein — er hat nur eine schlechte Nacht gehabt und wünscht, daß ich ihn so bald wie möglich besuche.«
    »Ich schäme mich fast, daß ich so gut geschlafen habe«, sagte sie zerknirscht. »Der arme Paps, was mag er sich wegen Vimmy für Sorgen und Gedanken machen!«
    »Deshalb will ich ihn ja aufsuchen. Ich rasiere mich rasch, dann trinken wir Kaffee, und dann fahre ich in die Klinik. Ich würde dich gern mitnehmen, aber ich halte es für besser, wenn du mich mit ihm allein sprechen läßt.«
    »Ja, dann hätte ich noch Zeit, zu baden. Aber um acht kommt ja deine Putzfrau.«
    »Laß nur, ich fange sie ab und schicke sie heute ausnahmsweise nach Hause.«
    »Aha!« sagte Hansi und sah mich scharf an.
    »Nichts aha!«
    »Daß du >ausnahmsweise< gesagt hast, berechtigt mich zu meinem Aha! Du hast sie also schon öfter heimgeschickt, weil du Damenbesuch hattest, wie?«
    »Nein!« rief ich und hob die Schwurfinger.
    »Ich könnte diese Weiber vergiften«, sagte sie düster und maß den Kaffee wie Strychnin in den Filter. Ich rasierte mich, dann tranken wir Kaffee, und dann schickte ich Frau Feuffert ausnahmsweise heim, die das »Aha!« glücklicherweise unterließ, mit dem sie sonst diese seltenen Ausnahmen quittierte. Wahrscheinlich verblüffte sie die Höhe des Schweigegeldes, das ich ihr zwischen Tür und Angel in die Hand drückte.

    Stephan Textor stand sichtlich unter der Wirkung der Drogen, die man ihm nachts in jeder Form eingespritzt und eingegeben hatte, um das Herz in Gang zu halten. Er sah spitz und grau aus, und der schwarze Schnurrbart und die Brauen standen noch stachliger in seinem Gesicht als sonst. Ich hatte wenig Erfahrung im Umgang mit verhinderten Selbstmördern, aber da mir in seiner Lage jeder Besuch äußerst peinlich gewesen wäre, nahm ich an, daß auch er mich am liebsten zum Teufel gewünscht hätte.
    »Es ist mir jetzt ein Rätsel«, sagte ich und stellte ihm wieder eine Flasche Rotwein ans Bett, die ich unterwegs besorgt hatte, »wie ich auf Ihr fabelhaftes Geständnis hereinfallen konnte. Ich scheine noch dümmer zu sein, als ich es bei kritischer Selbsteinschätzung für möglich gehalten habe. Wildermuth hat nach der Lektüre schallend gelacht. Er hat übrigens zweimal gelacht. Das zweite Mal, als er mir das Geständnis vorlas, das Vicky vor dem Staatsanwalt in Altenbruck zu Protokoll gegeben hat.«
    Wenn er mein Kommen, mein Gastgeschenk und mich selber bis dahin mit verletzender Gleichgültigkeit überhört und übersehen hatte, so wurde er jetzt, als ich Victorias Geständnis erwähnte, plötzlich um so munterer.
    »Vicky hat ein Geständnis abgelegt?«
    »Warum auch nicht? Und was wundert Sie dabei? Haben Sie von ihr etwas anderes erwartet? Oder glauben Sie, der einzige Narr in Ihrer Familie zu sein? Ich hätte mich nicht gewundert, wenn auch
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