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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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sehr viel zärtlicher ist als andere Männer. Aber ein ganz normaler Mann, der eine genauso oberflächliche Sexualität praktizieren kann wie andere Männer. Und weil sich seine Zärtlichkeit so wohltuend von dem abhob, was ich bei anderen Typen bisher erlebt habe, habe ich dann alles in ihn hineinprojiziert, was ich mir für eine Sexualität wünsche.

    bleischwer
    gehetzt
    amschreibtischfestgenagelt.
    satzfetzen schleudern
    mich gegen die Wand.
    flucht sinnlos,
    spätestens
    heute nacht
    verstricke ich mich wieder
    im eigenen netz.

    In diesem Herbst wird ein Buch von mir erscheinen. Ein halbes Jahr habe ich daran gearbeitet. Oft hat es Spaß gemacht. Manchmal mußte ich mich an meinen Schreibtisch zwingen. In den letzten Wochen habe ich starke Zweifel gekriegt, ob ich vielleicht die eine oder andere Aussage nicht klar genug herausgearbeitet habe. Oder Sachen ganz falsch eingeschätzt habe. Inzwischen bin ich davon überzeugt: Ich habe bestimmt Fehler gemacht. Habe Widersprüche offen gelassen, weil ich sie nicht lösen konnte. Aber alles in allem bin ich mit meinem Produkt sehr zufrieden. Ich bin davon überzeugt, daß mein Buch eine sinnvolle Diskussionsanregung werden kann. Daß ich Probleme aufgreife, in denen wir alle drinstecken. Ich bin zum erstenmal davon überzeugt, eine sinnvolle politische Arbeit geleistet zu haben. Bin mir klarer darüber geworden, in welcher Richtung ich Weiterarbeiten will. In diesem Herbst wird ein Buch von mir erscheinen. Ich freue mich darauf, mit anderen Frauen darüber zu diskutieren. Und natürlich auch mit Männern. Ich hoffe, daß ich mit meinem Buch eine Diskussion belebe, die immer noch zu stark vernachlässigt wird: die politische Diskussion um private Probleme. Mir ist mein politisches Arbeitsfeld klarer geworden. Das hat mich unheimlich gestärkt. Hat mich so gestärkt, daß ich wirklich den Märchenprinzen, und nicht nur Arne, hinter mir lassen konnte. Ich habe Spaß an meinem eigenen Leben und an meiner eigenen Arbeit; deshalb ist Arne in den Hintergrund gerückt. Ich brauchte nicht mehr wie früher mich in einen anderen zu verknallen, um über den einen hinwegzukommen.
    Ich merke, wie ich allmählich wieder auftaue und auf Menschen zugehen kann. Auf einer von diesen Riesenfeten quatsche ich plötzlich Leute an, mit denen ich mich noch nie länger unterhalten habe. Und das Merkwürdigste ist: Wenn ich von Isolation, Einsamkeitsgefühlen, Ängsten jemanden anzusprechen... rede, dann nicken alle. Ich brauche nicht viel zu erklären. Es ist ja gar nicht «mein» Problem. Vielen geht es ähnlich. Verdammt! Wenn wir das alle Scheiße finden, warum tun wir denn nicht alle was, um diese kalte norddeutsche Atmosphäre aufzubrechen? Man grüßt irgend jemanden ganz freundlich, weil man neulich mal drei nette Worte miteinander gewechselt hat, und... bleibt mit einem schiefen Grinsen in der Luft hängen... man kennt sich nicht mehr... und aus Angst vor dem nächsten unerwiderten Lächeln, lächelt man das nächste Mal gar nicht erst. Vielleicht ausgerechnet bei jemand, der selber gerade lächeln wollte.
    Als mir das so klarwird, werde ich mutiger. Ich grüße alle, die mir über den Weg laufen. Lieber einmal zuviel als zuwenig. Auf der Fete am Abend vor dem 1. Mai lächelt mich ein junger Mann an. Ich kenne ihn nicht. Aber er kennt mich, sagt er. Ich erinnere mich trotzdem kein Stück an ihn. «Doch ja, natürlich, irgendwie kommst du mir bekannt vor», lüge ich freundlich, aber überzeugt, daß ich es nicht schlimm finde, was ich da mache. Unterhalte mich unheimlich lange und dufte mit ihm. Als er sagt, daß er nach Hause will, frage ich: «Sag mal, hast du Lust, daß wir uns mal wiedertreffen? Wir können ja mal unsere Telefonnummern austauschen.»
    Doch, findet er auch gut. Und dann bietet er mir an, ob ich nicht noch auf einen Tee mit zu ihm kommen möchte.
    Aha! So läuft das also. Es ist kurz vor Mitternacht. Ob ich nicht noch auf einen «Tee»... Ich insistiere hartnäckig auf der Telefonnummer. Wenn ich nachts halb zwölf nach einer Telefonnummer frage, dann meine ich die Telefonnummer. Und nicht einen «Tee». Ich möchte seine Briefmarkensammlung jetzt nicht sehen! — Aber irgendwie tut mir das ganz gut, mal wieder hautnah gespürt zu haben, wie so was läuft: für eine Nacht. Ich fand ihn wirklich nett. Ich hätte vielleicht sogar Lust gehabt, mit ihm zu schmusen. Aber ich hätte keine Lust gehabt, mit ihm zu schlafen. Und wenn einer schon ein derart klischeehaftes
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