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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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kann , sondern es ist endlich so, daß ich aufhören kann, um ihn zu kämpfen, das ist gar kein passives Abschlaffen — das ist ein aktives Können: nämlich das Aufhören-Können. Das ist eine aktive Entscheidung, die ich mir hart genug erarbeitet habe.
    Und es hat so lange gedauert, weil von Arne nichts gekommen ist. Er hat mir eine ganz wichtige Möglichkeit genommen, sich mit unserer Beziehung auseinanderzusetzen, indem er nichts gesagt hat. Seine Gedanken hat er ein halbes Jahr lang für sich behalten. Und das, was sich in seinem Kopf abspielt, ist nun mal die Hälfte unserer Beziehung. Und diese Hälfte hätte ich so dringend gebraucht, um schneller Klarheit zu bekommen. Um klarer Klarheit zu bekommen. Und diese Möglichkeit hat er mir verwehrt. Hat gesagt: «Das ist meins! Sieh du doch zu, wie weit du mit deiner Hälfte kommst. Meine kriegst du nicht!» Er hat wirklich alles getan, um es mir schwerzumachen.

    Als ich mal wieder einige Tage mit dem Kaufen von Stoff und dem Nähen von langen Röcken und Dirndlschürzen beschäftigt bin, geht mir plötzlich auf, was ich da eigentlich mache. Es ist ja nicht so, daß ich irgendwie lange Kleider ganz gerne mag. So einfach ist es ja nicht. Es ist ja ganz gezielt die Proletenmode früherer Jahrhunderte, auf die ich abflippe. Die heutige Mode finde ich beschissen. Ich kann nie in einen Laden gehen und ein Kleid oder einen Rock kaufen, weil ich das alles nicht leiden mag, was da auf der Stange hängt. Ich muß mir fast alles selber nähen. Was treibt mich dazu, immer mehrere paar Hosen und Röcke übereinander zu tragen? Zu Hause werde ich schon scherzhaft die «Kolchose-Bäuerin» genannt. Irgend etwas muß das doch zu bedeuten haben, daß ich gerne so rumlaufe wie die Frauen «früher».
    Früher. Das war die Zeit, als die Männer noch nicht solche Schweine waren. Da trugen die Frauen noch einfache Dirndlkleider, und die Männer waren noch treu. So ist es in Volksliedern vom Feinsliebchen, in alten Filmen. Nicht nur im Märchen. Und dagegen stand die Realität: Ich in Jeans und die Männer wollen nur mit mir bumsen. Diesen Widerspruch habe ich dann pseudo-gelöst, indem ich gesagt habe: nee! Das mache ich nicht mehr mit. Ich ziehe keine engen Jeans mehr an. Ich will alles so, wie es früher war, als die Frauen auch ohne enge Hosen begehrenswert waren und die Männer noch nichts von Mehrfach-Beziehungen geschwätzt haben. Mir wird bewußt, daß ich mit meiner Kleidung genau das signalisieren will: Ich bin kein in Sexy-Jeans verpacktes Sexualobjekt. Ich warte auf den Liebsten. Auf den, der es ernst meint.
    Ja, ja! Früher, als die Frauen noch Dirndlkleider trugen und die Männer noch treu waren. Nicht solche Schürzenjäger wie heute. Schürzenjäger? — Schürzen...? Woher kommt denn der Ausdruck überhaupt? Der muß ja wohl aus eben dieser Zeit stammen. Als die Frauen noch Schürzen trugen und die Männer noch... Also waren die Männer früher auch nicht anders. Alles Lug und Trug in den Volksliedern, in den Märchen, in alten Filmen. Auch die Feinsliebchen von damals sind von ihren Typen genauso angeschissen worden wie wir heute. Auch wenn in den Volksliedern nichts von Mehrfach-Beziehungen und sexueller Revolution gesungen wird.
    Aber ich lebe hier und heute. Mein Dirndlkleid wird mir nicht viel nützen. Ich muß die Auseinandersetzung mit den realen Männern hier und heute aufnehmen. Und nicht mit irgendwelchen Hirngespinsten. Seit mir das klargeworden ist, ich meinen eigenen Tick endlich durchschaut habe, ist mir wohler. Ich mag mich zwar immer noch am liebsten mit Pluderhose unterm Rock und Dirndlschürze darüber. Aber ich mache mir keine Illusionen mehr, daß ein Typ, der bei dieser Aufmachung auf mich anspringt, was anderes von mir will, als wenn ich Jeans anhätte.

    Arne besucht mich. Bringt mir den Ordner mit dem Manuskript wieder. Fängt plötzlich von alleine an, mit mir über seine Sexualität zu reden. Daß er ja eigentlich eine «Beziehung» möchte. Aber solange er keine hat, möchte er eben auch mal... ohne daß von den Frauen gleich solche Ansprüche kommen. Oder ob er sich «einen greifen» soll? (Wieder eine von diesen Vokabeln, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann!) «Einen greifen»: Das hört sich so nach Klammeraffe an. Ein albernes Wort!
    Hat er mein Buch nicht gelesen oder was ist? Ich schreibe doch nun klar und deutlich, daß das ein Konflikt ist, mit dem ich selber nicht klarkomme. Daß ich keine Lust habe zu onanieren. Aber halt
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