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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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Therapeut sein kann. Ich kann keinen Menschen therapieren, von dem ich eigentlich geliebt werden möchte. Ich würde viel zu stark dazu tendieren, das aus ihm herauszuinterpretieren, was ich gerne hören möchte, als das, was wirklich da ist. Ich bin wirklich vollkommen ungeeignet, mich ihm als Vertrauensperson anzubieten. Und er will mich ja auch gar nicht.
    Aber es kann doch sein, daß der Dussel einfach nur noch nicht begreift, wieviel Gutes ich ihm tun will. Wenn er das endlich begreifen würde, wäre ich trotz aller Einseitigkeit dazu bereit, mich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Rein gefühlsmäßig wäre ich dazu bereit. Würde ihm Wärme und Geborgenheit geben wollen, ohne selber das gleiche von ihm zu bekommen. Würde mich emotional ausbeuten lassen: die jahrtausendealte Rolle der Frau.
    Ich erinnere mich an einen Fall, wo sich die Genossinnen aus einer WG mal gemeinsam geweigert haben. Die Männer sind mit ihren politischen Problemen immer zu einem Genossen gegangen, mit ihren persönlichen Problemen zu den Genossinnen. Und Frauen gehen mit ihren Problemen natürlich auch zu Frauen und nicht zu Männern: Doppelbelastung sogar auf dieser Ebene! Diese Art von emotionaler Ausbeutung sollten Frauen sich nicht mehr gefallen lassen. Ich würde einem Mann etwas geben, was ich selber mir dann nur von anderen Frauen holen könnte. Von ihm würde ich das nie bekommen. Ich würde mich in die weibliche Rolle fügen, daß Frauen für die Gefühle von Männern zuständig sind. Wir stützen sie emotional, und sie ziehen dann gestärkt ins feindliche Leben. Und wir sitzen dann da und müssen mit unserer übriggebliebenen Energie uns noch untereinander stützen. Ich würde mich benutzen lassen, wenn ich das mitmachen würde. Ich will nicht nur Kraft geben, ich will auch Kraft bekommen aus so einer Beziehung. Von Arne könnte ich sie nicht bekommen. Was kämpfe ich eigentlich noch darum, Vertrauensperson für ihn zu werden? Was kämpfe ich eigentlich noch darum? Ich hätte gestern abend bei Arne vorbeigucken können. Ich habe es nicht getan. Ich bin mit Barbara und Petra zum Bahnhof gegangen und nach Hause gefahren. Ich bin froh, mich so entschieden zu haben. Es tat mir nicht leid. Ich stehe wirklich gefühlsmäßig hinter dieser Entscheidung, nicht zu Arne zu gehen. Ich fühle mich wohler, ihn nicht zu sehen.
    Ich bin nicht mit ihm fertig. Ich habe meine Gefühle noch nicht verarbeitet. Aber es wäre mir zu anstrengend, noch einmal auf ihn zuzugehen. Ich habe ein halbes Jahr um seine Zuneigung und um sein Vertrauen gekämpft. Es ist nicht so, daß ich das beides nicht mehr haben will. Ich wünsche es mir nach wie vor — aber ich kann nicht mehr kämpfen. Ich habe alle Register gezogen. Ich kann nichts mehr dafür tun. Wenn noch etwas passieren kann zwischen uns, dann muß Arne jetzt auf mich zukommen.
    Mir ist klargeworden, warum ich jetzt anders entscheide als vor zwei Monaten, obwohl meine Gefühle dieselben sind. Meine Gefühle sind nicht geringer geworden. Daran liegt es nicht — und trotzdem fahre ich nicht mehr nach Altona. Was ist anders? Es tut immer noch weh, wenn ich an ihn denke. Jedesmal sowie ich an Arne denke, tut es weh. Es tut wahnsinnig weh. Ich bin nicht drüber weg. Und trotzdem will ich nicht hinfahren. Ich will ihn sehen, ich warte auf seinen Anruf — aber ich will nicht hinfahren. Ich will ihn nur sehen, wenn ich nicht wieder an ihm zerren muß. Ich will ihn nur sehen, wenn er mir was zu sagen hat. Wenn er zu erkennen gibt, daß er was von mir will. Ich kann nicht zum hundertstenmal die Initiative ergreifen. Ich bin hilflos, ratlos, ausgepowert. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihn noch ansprechen könnte. Ich habe alles getan, was in meinen Möglichkeiten stand. Ich weiß nichts mehr. Ich habe alle Register gezogen.
    Das ist der Unterschied. Meine Gefühle sind zwar noch dieselben, aber vor zwei Monaten waren da immer noch Sachen, die ich noch nicht ausprobiert hatte. Immer noch Sachen, von denen ich erhofft hatte: wenn ich ihm das jetzt sage, dann reagiert er vielleicht. Das ist was ganz Neues, was er von mir noch nicht gehört hat! — Jetzt hat er den Ordner. Es gibt nichts Neues mehr, da steht alles drin. Alles. — Mehr kann ich ihm nicht sagen. Wenn er darauf nicht reagiert, dann weiß ich auch nichts mehr. Es gibt nichts Neues mehr. Und diesen Punkt mußte ich erst erreichen, bevor ich aufhören konnte, um ihn zu kämpfen.
    Es ist eigentlich gar nicht so, daß ich nicht mehr kämpfen
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