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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Autoren: Marcia Muller
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Kopf.
    »Nein, wir haben ausgemacht, uns ein
bißchen zurückzuhalten. Tio Taco lauert ja praktisch hinter jeder Ecke.«
    Wie auf Kommando betrat Frank mit
Antonio Ibarra im Schlepptau den Raum. Tony war einer der Männer seines
Gefolges, ein schlaksiger, hellhäutiger Mann, der vor kurzem mit seiner
blutjungen Frau aus Bogotá in Kolumbien in die Vereinigten Staaten eingewandert
war. Offiziell bekleidete er am Museum den Posten des pädagogischen Beraters — die
reine Farce, da er nur mit minderer Intelligenz gesegnet war und die englische
Sprache höchstens mäßig beherrschte.
    Tatsächlich war Tony Franks
Prügelknabe. Unser Direktor kommandierte ihn unablässig herum, ließ ihn
unwichtige Botengänge erledigen und bezeichnete ihn in seinem Beisein stets als
»mein minderbemittelter Kolumbier«. Tony seinerseits tat so, als fände er
Franks beleidigendes Verhalten bloß belustigend, und gab sich uns anderen
gegenüber hochmütig, daß es ans Lächerliche grenzte. Zum Glück hatte schon vor
Tonys Ankunft einer unserer freiwilligen Mitarbeiter die pädagogischen
Materialien betreut und machte das nun stillschweigend einfach weiter.
    Frank nickte mir kühl zu, bedachte
Jesse mit einem unfreundlichen Blick und ging weiter. Tony grinste uns beide an
und folgte seinem Herrn und Meister in der ihm eigenen knieweichen,
schlurfenden Gangart.
    Ich wartete, bis beide außer Hörweite
waren, ehe ich sagte: »Wie eine schleichende Krankheit.«
    »Tony, meinen Sie?«
    »Ja. Das paßt.«
    Ich sah den beiden Männern einen
Augenblick nach.
    »So, jetzt sause ich besser an meinen
Schreibtisch und sehe nach, was für eine Katastrophe uns in meiner Abwesenheit
heimgesucht hat.«
    »Grüßen Sie Maria von mir.« Jesse
wandte sich wieder seinen camaleónes zu.
    Eine zusätzliche Katastrophe brauchten
wir gar nicht; mein Schreibtisch war schon eine. Im Posteingangskorb stapelten
sich die Papiere zu gefährlichen Höhen. Orangefarbene Informationsmappen lagen
aufgeschichtet auf einer Ecke; einige waren auf den peruanischen Teppich hinuntergefallen.
Der ganze Schirm meiner Schreibtischlampe war mit Listen dieser oder jener Art
beklebt. Das Telefon fehlte. Stirnrunzelnd sah ich mich um, dann fiel mir ein,
daß ich es zwei Stunden vorher in einem Wutanfall in die unterste Schublade
geschoben hatte. Ich holte den Apparat wieder heraus, um die Anrufe zu
erwidern, die während meiner halbstündigen Abwesenheit eingegangen waren.
    Es war heiß im Büro. Ich ging zum
vergitterten Fenster mit Blick auf die Rasenfläche und schob den altmodischen
Riegel hoch, doch ehe ich das Fenster öffnen konnte, fiel der lose Riegel
wieder herunter und zwickte mir die Finger ein. Leise schimpfend schob ich den
Riegel noch einmal hoch, und hielt ihn jetzt fest, bis ich das schwere Fenster
nach außen gedrückt hatte. Durch den Umzug und die bevorstehenden
Eröffnungsfeierlichkeiten hatte ich seit Wochen so viel zu tun, daß ich
zunehmend reizbar und ungeduldig geworden war. Wenn die Lage sich beruhigt
hatte, mußte ich versuchen, alles wieder etwas lockerer zu nehmen. Kein Job war
es wert, daß man über ihn zum Nervenbündel wurde. Als ich meine
Telefongespräche erledigt hatte, nahm ich den Zettel, auf den ich mir
aufgeschrieben hatte, was ich mit Frank noch besprechen wollte, und ging
hinüber zu Maria. Sie saß, schmal und dunkel, leicht gekrümmt über ihrer
Schreibmaschine, eine Hand an die Stirn gedrückt.
    »Maria? Haben Sie auch Kopfschmerzen?«
    Mit Tränen in den Augen sah sie auf.
»Nein.« Sie schob trotzig die Unterlippe vor.
    »Was ist denn?«
    Marias Leben bestand aus einer niemals
endenden Serie von Krisen — vielleicht weil sie so ungeheuer egozentrisch war.
Sie war eine ganz ordentliche Sekretärin, aber manchmal fiel mir ihr humorloses
ständiges Um-sich-selbst-Kreisen entsetzlich auf die Nerven.
    »Mein Onkel — er verlangt, daß ich mit
Robert auf das Cinco-de-Mayo-Fest gehe.«
    El Cinco de Mayo — der 5. Mai — ist der Tag, an dem im
Jahr 1862 das mexikanische Heer in Puebla bei Veracruz den einfallenden
Franzosen eine entscheidende Niederlage beigebracht hatte. Obwohl der Feind in
gewaltiger Überzahl antrat, wurde er bis nach Veracruz und zum Meer
zurückgetrieben. Dieser Feiertag hat im Lauf der Zeit für Amerikaner
mexikanischer Herkunft eine besondere Bedeutung gewonnen und ist zu einem
Symbol ihres wachsenden Bewußtseins für ihr kulturelles Erbe geworden. Aus
diesem Grund hatten wir die Eröffnungsfeier unseres Museums auf
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