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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Autoren: Marcia Muller
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aufstellen können. Der
Empfang ist morgen vormittag um zehn. Die anderen Ausstellungsstücke müßten
weggenommen und anders gestellt werden, um genug Platz zu schaffen...«
    Isabels Miene verfinsterte sich. Sie
war zwar eine charmante Frau, aber wenn etwas nicht nach ihrem Kopf ging,
konnte sie sehr unangenehm werden.
    »Frank«, sagte ich flehend. »Ich glaube
nicht — «
    »Tun Sie’s«, sagte Frank.
    »Was?«
    »Räumen Sie die anderen Stücke weg und
sorgen Sie dafür, daß der Baum aufgestellt wird.«
    »Aber — «
    »Im Saal für Volkskunst ist Platz
genug. Wir können den Baum auf einen Sperrholzsockel stellen. Lassen Sie den
Anstreicher — wie heißt er gleich wieder? — ja, Pedro, herkommen. Er kann das
Holz in einer Farbe streichen, die die grünen und lila Blüten hervorhebt.«
Frank wies auf den Baum. »Rechts und links können wir die zwei kleineren árboles aus der ständigen Sammlung aufstellen.«
    »Frank!«
    Die Umplazierung der Ausstellungsstücke
würde den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Der Maler würde wahrscheinlich nicht
frei sein. Und wer sollte den Sperrholzsockel basteln? Außerdem war der
verdammte Baum spukhäßlich.
    Doch Frank ließ nicht mehr mit sich
reden.
    »Tony, gehen Sie mit Isabel in den Saal
und suchen Sie einen geeigneten Platz mit ihr aus.«
    Tony nickte und schlurfte zum Lastwagen
hinüber. Er half Isabel herunter und führte sie ins Museum.
    »Frank!«
    Frank trat ganz dicht an mich heran.
Seine Augen waren schmale Schlitze.
    »Ich werde Ihnen mal was sagen, und
schreiben Sie sich’s gefälligst hinter die Ohren. Der Baum steht bis zum
Empfang. Ist das klar?«
    »Frank, der Baum ist scheußlich,
vulgär. Und er ist viel zu groß!«
    »Sie sind nicht objektiv. Ich weiß, daß
Sie die Dinger nicht leiden können.«
    Da hatte er recht. Ich war durchaus
bereit, meine Voreingenommenheit zuzugeben. Sie basierte schließlich auf
soliden ästhetischen Prinzipien. Seit der Erfindung der Acrylfarbe waren die
Bäume von Jahr zu Jahr kitschiger geworden, grell in den Farben, die Zweige mit
allen möglichen Dingen beladen, die mit dem Glauben der Indianer und Christen
kaum etwas zu tun hatten. Ich hätte mit Freuden einen der älteren Bäume
ausgestellt, aber nicht dieses Ding.
    »Ich kann mir nicht vorstellen«,
versetzte ich, »daß irgend jemand so einen Baum leiden kann.«
    »Er wird aber ausgestellt, ob Ihnen das
nun paßt oder nicht.«
    »Sie sind zwar der Direktor hier, aber
ich bin für die Sammlungen verantwortlich. Ich bin dafür verantwortlich, was
unsere Besucher zu sehen bekommen und was nicht. Ich bin dafür verantwortlich,
was für eine Meinung sie sich über mexikanische Kunst bilden.«
    »Und Sie sind dafür verantwortlich, das
da — « Er deutete mit einer ungeduldigen Geste auf den Baum — »aufzustellen.«
    »Mit diesem Monstrum will ich nichts zu
tun haben. Es ist abscheulich.«
    »Los, gehen Sie an die Arbeit!«
    »Nein, verdammt noch mal.«
    Frank kam noch näher, so nahe, daß
unsere Nasen beinahe aneinander stießen. Das war bei unseren häufigen
Auseinandersetzungen seine Standardtaktik.
    »Doch, verdammt noch mal«, sagte er
leise und drohend. »Sie stellen den Baum auf. Diese Frau ist mehrere Millionen
Dollar schwer, auch jetzt noch, nach ihrer Scheidung. Diese Frau tut ungeheuer
viel für das Museum. Es kommt nicht in Frage, daß Sie ihr die Stimmung
verderben.«
    »Geld! Das ist wohl das einzige, was
Sie interessiert?«
    »Wir brauchen Geld, um weitermachen zu
können.«
    »Und was ist mit künstlerischer
Integrität?«
    »Das ist eine Frage zweiter Ordnung.«
    »Aber nicht für mich.«
    »Gehen Sie jetzt rein und sorgen Sie
dafür, daß der Baum aufgestellt wird.«
    »Die Zeit reicht nicht.«
    »Blödsinn! Die Sockel kann Vic bauen.
Der versteht sich auf so was.« Vic fuhr verdattert hoch. »Und wenn Pedro nicht
frei ist, kann Jesse anmalen. Er ist schließlich Maler.« Jesse riß den Mund
auf, aber es kam kein Laut heraus. »Der Fahrer kann uns helfen, den Baum
reinzuschaffen.«
    »Das gehört nicht zu meinem Auftrag«,
erklärte der Fahrer.
    Frank ignorierte ihn. Mit taxierendem
Blick musterte er den Baum.
    »Wir flankieren ihn links und rechts
mit den zwei kleinen árboles. Dazu noch ein paar Fruchtbarkeitssymbole
und — ah, ich hab’s! Wir stellen den kleinen Todesbaum aus Terracotta auf einen
Sockel.«
    »Den Todesbaum«, wiederholte ich.
    »Ja, den Todesbaum.«
    »Das geht nicht. Das ist unästhetisch.
Das darf man nicht tun. Das ist ein
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