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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
Autoren: Marcia Muller
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den 5. Mai
festgesetzt, der nun nur noch drei Tage entfernt war. »Aber, Maria«, meinte
ich, »deswegen brauchen Sie doch nicht gleich zu weinen. Sie haben mir erzählt,
daß Robert meistens zuviel trinkt und dann einschläft, wenn sie mit ihm und
Frank und Ihrer Tante ausgehen.«
    Sie nickte.
    »Vielleicht macht er’s auf dem Fest
auch so — trinkt zu viel Tequila. Dann können Sie den ganzen Abend mit Jesse
tanzen.«
    Sie kniff die Augen zusammen.
    »Ja, das schon. Robert schläft bestimmt
ein. Aber mein Onkel ist immer hellwach.«
    Das konnte ich nicht bestreiten. Ich
wußte nicht, was ich ihr noch zum Trost hätte sagen können.
    »Wo ist übrigens Ihr Onkel?«
    Sie wies mit einer verächtlichen Geste
zu Franks Büro. »Draußen im Garten. Die Gärtnerei hat wieder ein paar Büsche
geschickt, die pflanzt er jetzt ein.«
    Ich ging ins Büro und sah zum Fenster
hinaus. Jenseits der massiven schmiedeeisernen Gitterstangen war ein kleiner
Innenhof, den eine zweieinhalb Meter hohe weiße Mauer umschloß. Ein mit Platten
belegter Weg führte seitlich am Haus entlang zum Parkplatz, der durch ein
schmiedeeisernes Tor zu erreichen war.
    Frank kauerte ungefähr in der Mitte des
Hofs und mühte sich mit einer großen Azalee ab. Er war gerade dabei, sie mit
Draht an einem glänzenden grünen Pfahl festzubinden. Die Pflanzen — ich zählte
sieben insgesamt — mußten ein kleines Vermögen gekostet haben. Sogar die Pfähle
sahen teuer aus, nicht aus unbearbeitetem Holz wie üblich, sondern fein lackiert.
Ich hätte gern gewußt, ob unser Verwaltungsrat diesen Kauf genehmigt hatte.
    Maria kam herein und stellte sich neben
mich. Eine Weile beobachtete sie Frank stumm, dann schnalzte sie ärgerlich mit
der Zunge.
    »Ich glaube, ich störe ihn jetzt
nicht«, sagte ich. »Er scheint richtig — glücklich zu sein.«
    »Dann ist er der einzige.« Maria drehte
sich um und wollte hinausgehen.
    An der Tür stießen wir mit Vic Leary
zusammen, dem Geschäftsführer des Museums, einem massigen, häßlichen Mann mit
einem traurigen Gesicht. Er war der einzige von Franks Mafiosi, der mir gefiel.
Vielleicht lag es an seiner schwermütigen Ausstrahlung, vielleicht an der
väterlichen Fürsorglichkeit — er war um die Fünfzig — , womit er den Frauen vom
Personal begegnete — ganz gleich, ich fühlte mich auf eine seltsame Weise zu
ihm hingezogen.
    Vic sah erst Maria an, dann mich, und
fragte: »Wo ist Frank?«
    Ich deutete zum Fenster.
    Vic ging hinüber und sah hinaus.
    »Er wird sich noch einen Hitzschlag
holen, wenn er in der prallen Mittagssonne da draußen schuftet.« Vic war schon
seit zwanzig Jahren gewissermaßen Franks »ständiger Begleiter« und war so
besorgt um ihn wie um die Frauen am Museum. »Wir sollten ihn lieber reinholen.«
    »Ach, lassen Sie ihn doch, Vic. Es
macht ihm Spaß. Und er kommt keinem in die Quere.«
    Vic lachte. »Er war wohl in den letzten
Tagen sehr ungeduldig, wie?«
    »Wie ein kleiner Junge, der ein neues
Haus entdeckt.«
    »Tja, aber wir müssen ihn leider
stören.«
    »Wieso?«
    »Gehen Sie mal raus auf den Parkplatz.
Dann werden Sie’s schon sehen. Da wartet eine Überraschung.« Sehr begeistert
wirkte Vic nicht.
    »Erfreulich oder unerfreulich?«
    Er zögerte. »Kommt auf den Standpunkt
an. Sie werden ja sehen. Gehen Sie nur raus. Ich hole Frank.«
    Von Maria gefolgt, eilte ich zum
Parkplatz hinaus. Vor der Laderampe stand ein offener Lastwagen, und auf seiner
Pritsche eine drei Meter hohe Holzkiste. Ein Mann in Arbeitskleidung,
vermutlich der Fahrer, war dabei, die Kiste aufzustemmen. Ich ging auf die
andere Seite des Lastwagens, wo Jesse und Tony Ibarra standen. Isabel
Cunningham, die zu unserem Verwaltungsrat gehörte und unsere aktivste
freiwillige Mitarbeiterin war, stand oben auf der Pritsche und gab dem Mann
beim Auspacken Anweisungen.
    »Qué pasa?« fragte ich Jesse.
    Er zuckte die Achseln. »Isabel hat eine
Überraschung für das Museum.«
    Ich sah zu Isabel Cunningham hinauf.
Sie stammte aus einer der alten spanischen Grundbesitzerfamilien, die im
neunzehnten Jahrhundert östlich von Santa Barbara einen riesigen rancho besessen hatten. Sie hatte in eine der reichsten angloamerikanischen Familien
der Stadt eingeheiratet und so ihr eigenes ansehnliches Vermögen noch
vergrößert. In ihrem blütenweißen Tenniskleid und mit dem elegant frisierten
grauen Haar wirkte sie dort oben auf dem Lastwagen, neben dem Fahrer im
fleckigen Overall, völlig fehl am Platz.
    Frank und Vic gesellten
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