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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich
Autoren: Max Bronski
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als der von Bertold Oftenhain, aber sie spürte erstmalig, dass sie ihm nun doch verzeihen konnte, weil der ehemals glänzende Physiker ein Leben voll Selbstverleugnung auf sich genommen und zu Ende gebracht hatte. Es gab nichts mehr abzugelten, vielmehr war es nun an ihr, ihm Gerechtigkeit zu verschaffen, um sich und Tino von allen Verschlingungen frei zu machen, die immer noch aus seiner Biografie erwuchsen.
    Cohens Buch zur Geschichte der Quantenphysik bestätigte die Vermutung, die sie gehegt hatte, als Tino ihr auf den Küchentisch die beiden übereinanderliegenden Dreiecke aufgemalt hatte. Sie hatte sich sofort an den Vergleich erinnert, in den Bertold sein Liebesgeständnis gekleidet hatte, das durch ihre Schwangerschaft zu einem Dreierbund geworden war. Bestimmt war die Deutung des Symbols eine physikalische, eben jene schon vom Buchhändler beschriebenen Quark- und Antiquark-Tripletts. Cohen versäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass diese Figur zu der Spekulation verleitet hatte, dass im innersten Kern der Dinge das Gottesbild als Siegel Salomons auftauche. Aber warum war sie von dem Mörder in den Sand gezeichnet worden?
    Cohen zählte alle auf, die an dieser Entdeckung gearbeitet hatten: Murray Gell-Mann war als Erster mit den Quarks öffentlich hervorgetreten und legte damit dar, dass der Atomkern aus weiteren unterscheidbaren Teilchen bestehe. George Zweig verfolgte denselben Plan, war aber mit dem Konzept seiner
Aces
zu spät gekommen. Amlängsten setzte sich jedoch David Ashton auf die Spur dieser, wie er sie nannte:
Snarks
. Er vermutete ihre Existenz, war jedoch nicht in der Lage, sie wie Gell-Mann in seiner Matrizendarstellung mathematisch zu erhärten.
    Bertold und Ashton hatten sich gekannt, vielleicht wusste er mehr, vielleicht war er in der Lage, die Botschaft des Mörders zu entschlüsseln. Sie würde nach Cambridge reisen, um mit ihm zu sprechen.
     
21.
    Bei ihrer Suche nach Professor David Ashton glaubte Ella mehrfach verzweifeln zu müssen. Sie sprach nur sehr schlecht Englisch und hatte daher Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Ihrem unverdrossen freundlichen Auftreten war es zu verdanken, dass man sie dennoch nach Kräften zu unterstützen versuchte. Eine Sekretärin der Universitätsverwaltung skizzierte für sie auf einen Zettel, wie sie zum St. Matthew’s College kommen würde. Professor Ashton sei, sagte sie, dort in einer Wohnung im Grey Friars’ Court direkt über der Master’s Lodge untergebracht. Allerdings sei Ashton bereits emeritiert und, wie zu hören sei, nur noch sporadisch anzutreffen.
    Angeleitet von dieser Wegbeschreibung stand Ella dann vor einem einschüchternd hohen Tor mit schmiedeeisernen Beschlägen, so wuchtig, als gelte es einen Heerhaufen draußen zu halten. Noch dazu war es bewacht. Ein grau gewandeter Porter mit einem Bowler auf dem Kopf behielt den kleinen Einlass, der offen stand und durch den Bedienstete und College-Mitglieder schlüpften, ständig im Auge. Sie war unsicher, wie dieses Hindernis zu nehmen war, stieß dann aber auf ein Schild, das auf der Zugangsstraße aufgestellt stand, demzufolge die Öffentlichkeit am späteren Vormittag freien Zutritt zum ersten Innenhof, dem Square Court, hatte. Es regnete, daher ging sie,um die Zeit zu überbrücken, in das Café gegenüber und trank einen Tee.
    Schließlich wanderte sie auf Kieswegen im Square Court herum. Den größten Raum nahm eine Rasenfläche ein, so dicht gewachsen und kurz gestutzt wie ein weicher, grüner Teppich, der durch zwei sich in der Mitte kreuzende Wege in vier Teile geschnitten war. Dort stand ein Brunnen, der von einem überdachten Säulenrondell umgeben war. Durch ein massives Gitter hindurch erhaschte Ella zumindest einen ersten Blick auf den dahinterliegenden zweiten Hof, den Grey Friars’ Court. So machte sie sich mit der Umgebung vertraut, bevor sie den entscheidenden Schritt wagte.
    Auf dem Weg nach draußen fasste sie sich ein Herz und erkundigte sich in der Porter’s Lodge, wann denn Professor Ashton zu sprechen sei. Er verbringe einige Tage in Schottland, so verstand sie die Auskunft. Man erwarte ihn erst in zwei Tagen wieder zurück.
     
22.
    Das schöne Wetter war vorüber. Bis gestern hatte es geregnet. Mit Teetasse in der Hand und an einem Energieriegel kauend trat Fred Fridge in seinen Garten hinaus, um sich einen Eindruck von den Temperaturverhältnissen zu verschaffen. Der Nebel hatte sich noch nicht gelichtet, wie ein Schleier war er über das satte
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