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Der Tod aus dem Norden

Der Tod aus dem Norden

Titel: Der Tod aus dem Norden
Autoren: Jason Dark
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mehr an seinem Platz. Die Männer drängten sich vor den Fenstern zusammen, auch der Reverend wollte einen Blick darauf werfen.
    Eingebildet hatte sich niemand etwas. Die See steckte dermaßen voller Kraft und war so aufgewühlt worden, daß sie mit den größten Säugetieren so umging wie mit kleinen Fischen.
    In den Klauen der Wellen befand sich ein kapitaler Blauwal! Er versuchte verzweifelt, der Gefahr zu entwischen, aber die Wellen trugen ihn immer weiter, schleuderten ihn näher auf das Ufer zu.
    Der Wal kämpfte um sein Leben. Er schaffte es sogar, seinen massigen Körper in die Höhe zu wuchten, und schien auf seiner Schwanzflosse innerhalb der Brecher förmlich zu stehen. Aber es half alles nichts. Krachend schleuderte eine breite Wasserfront gegen ihn und riß das Tier einfach weiter. Die See drückte ihn tiefer, und bestimmt schleifte sein Körper schon über Grund. Wenn nicht ein Wunder geschah, schleuderte die See den Blauwal an Land, wo er elendig verenden würde. Die Gäste hatten ihre eigene Lage vergessen. Sie standen da mit geballten Händen und schauten gebannt dem Ereignis zu. Wieder wühlte das Wasser den mächtigen Körper hoch. Er wuchs vor den Augen der Beobachter in die Höhe, so daß sie Angst bekamen. Eine mächtige Welle bereitete dem grausamen Spiel ein Ende. Wie ein Stück Treibgut warf sie den mächtigen Blauwal an Land. Der Körper drehte sich. Die tonnenschwere Schwanzflosse traf einen der herumliegenden Baumstämme und schleuderte ihn auf ein Haus zu, in dessen Wand er sich bohrte.
    Dann zappelte der Wal. Nur glich dieses ›Zappeln‹ bei ihm einer immensen Gefahr. Wenn er gegen ein Hindernis schlug, zertrümmerte er es mit Leichtigkeit.
    Gefährlich nahe wehte seine breite und mächtige Schwanzflosse an den Pub heran. Sie tauchte dicht hinter der Scheibe auf, den Zuschauern kam sie zum Greifen nahe vor, dann rutschte sie seitlich weg und hämmerte mit Donnergetöse auf die Straße. Keiner redete. Man war viel zu geschockt und entsetzt, um den Vorgang kommentieren zu können. Die Augen der Männer glichen starren Kugeln, ihre Lippen zitterten ebenso wie die schweißfeuchten Hände.
    »Das ist nackter Wahnsinn!« sagte jemand. »Das… das habe ich noch nie erlebt.«
    »Es gab auch noch nie einen derartigen Sturm«, meinte ein anderer. Ihm widersprach keiner. Die Gäste schauten nur machtlos dem Überlebenskampf des Säugetiers zu, den es verlieren mußte.
    »Mit den Wikingern hat das nichts zu tun«, flüsterte jemand. »Gar nichts, verdammt.«
    »Hör auf, Gregg.«
    »Ja, schon gut.«
    Das Tier schaffte es nicht. Zwar wurde es ständig von der Gischt überspült, doch half ihm das kaum. Der Wal mußte verenden.
    »Haben die Wikinger sich nicht von Walfleisch ernährt?« fragte der Keeper.
    »Auch«, meinte einer. »Eigentlich bevorzugten sie Heringe. Wolltest du damit sagen, daß sie wieder zu uns kommen und anfangen, den Wal zu zerlegen?«
    »Alles ist möglich.«
    Der Reverend schwieg. Er hatte sich von den anderen Gästen abgewandt und an einem Tisch Platz gefunden. In kleinen Schlucken leerte er sein Ale. Castor sah um Jahre älter aus. Was er gesehen hatte, war einfach zuviel gewesen.
    Wie konnte es gestoppt werden?
    Der Sturm würde vielleicht noch die Nacht über anhalten. Aber stand er überhaupt mit dem Erscheinen der Wikinger in einem unmittelbaren Zusammenhang?
    Das genau war die Frage. Aber für ihr Auftauchen mußten sie ein Motiv haben.
    Möglicherweise hing dies mit dem Ort Seabrake zusammen und lag in einer Vergangenheit begraben, die mehr als tausend Jahre zurücklag. Da hatten die Horden der Wikinger die Küsten Europas unsicher gemacht und sich nicht gescheut, bis nach Afrika oder an die Ostküste Amerikas zu segeln.
    Er stand seufzend auf und wischte über seine Stirn. Obwohl es nicht warm war, lag Schweiß auf der Stirn.
    »Jetzt stirbt der Wal«, sagte jemand.
    Reverend Castor ging nicht mehr zum Fenster. Er wollte dem Todeskampf nicht zuschauen.
    Dafür öffnete er die Tür, wäre fast von den Beinen gerissen worden und stemmte sich gegen den Sturm.
    Vor ihm lag der mächtige Körper. Und ihn wurde wieder einmal bewußt, wie klein er letztendlich war.
    Möglicherweise hatte auch der Herrgott mit diesem Orkan den Menschen ein Zeichen geben wollen, es nicht zu übertreiben. Etwas flog scheppernd auf die Fahrbahn. Ein altes Fahrrad war von einer Bö erfaßt und weggeschleudert worden. Es rutschte noch über die nasse Fahrbahn hinweg, bis es an den Walkörper
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