Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt
Autoren: James Herriot
Vom Netzwerk:
Relax in Tablettenform.«
    »Ausgezeichnet.« Siegfried trank seine Tasse aus und stand auf. »Schicken Sie uns davon bitte einen reichlichen Vorrat. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen, Mr. Barge – wir müssen auf unsere Nachmittagstour. Besten Dank für Ihren Besuch.«
    Wir gaben uns die Hände. Vor dem Haus lüftete Mr. Barge abermals den Hut, und die feierliche Visite war beendet.
    Eine Woche später traf die bei Cargill und Söhne bestellte Ware ein. Medikamente wurden damals in Teekisten versandt, und als ich den Holzdeckel abnahm, interessierte ich mich besonders für das schön verpackte Relax in Ampullen- und Tablettenform. Und seltsamerweise hatte ich sofort Verwendung dafür.
    Mr. Ronald Beresford, ein Bankdirektor, kam in die Praxis.
    »Mr. Herriot«, sagte er. »Wie Sie wissen, habe ich hier einige Jahre die Bank geleitet, aber man hat mir die Leitung einer größeren Zweigstelle im Süden angeboten, und ich fahre morgen nach Portsmouth.« Er blickte mich aus seiner Höhe kühl und herablassend wie immer an.
    »Portsmouth? Donnerwetter, da haben Sie einen weiten Weg.«
    »Ja, so ist es. Etwa fünfhundert Kilometer. Und ich habe da ein Problem.«
    »Ein Problem?«
    »Leider ja. Vor kurzem habe ich einen sechs Monate alten Cockerspaniel erworben, und er ist sonst ein ausgezeichneter kleiner Hund, aber im Wagen führt er sich äußerst seltsam auf.«
    »Was macht er denn?«
    Er zögerte. »Er ist jetzt draußen. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, kann ich es Ihnen vorführen.«
    »Natürlich«, sagte ich. »Ich komme gleich mit.«
    Wir gingen zum Wagen. Seine Frau saß auf dem Beifahrersitz, und sie war so dick, wie er mager war, war jedoch genauso herablassend wie er. Sie nickte mir kühl zu, aber der hübsche kleine Hund auf ihrem Schoß begrüßte mich begeistert.
    Ich streichelte ihm die langen seidigen Ohren. »Ein lieber kleiner Kerl.«
    Mr. Beresford sah mich von der Seite an. »Ja. Er heißt Coco, und er ist wirklich reizend. Aber sobald der Motor läuft – dann fängt der Ärger an.«
    Ich setzte mich auf den Rücksitz, Mr. Beresford ließ den Motor an, und wir fuhren los. Mir wurde sofort klar, was er meinte. Der Spaniel machte sich steif, stieß die Schnauze bis an die Wagendecke und brach in ein schrilles Heulen aus.
    »Huuh, huuh, huuh, huuh«, jaulte Coco.
    Ich war wirklich erschrocken, denn etwas Derartiges hatte ich noch nie gehört. Ich weiß nicht, woran es lag – ob an der Gleichmäßigkeit der Jauler, am durchdringend schrillen Ton oder daran, daß Coco sich keine Pause gönnte –, jedenfalls bohrte sich das Jaulen in mein Gehirn, und nach zwei Minuten dröhnte mir der Schädel. Ich atmete auf, als wir wieder vor der Praxis hielten.
    Mr. Beresford stellte den Motor ab – und damit auch den Lärm, denn das kleine Tier beruhigte sich augenblicklich und leckte mir die Hand.
    »Ja«, sagte ich. »Das ist wahrhaftig ein Problem.«
    Er zog nervös an seinem Schlips. »Und je länger man fährt, desto lauter wird es. Wenn Sie noch etwas Zeit haben, kann ich es Ihnen...«
    »Nein, nein, nein«, unterbrach ich ihn hastig, »das ist nicht nötig. Ich weiß schon Bescheid. Aber schließlich haben Sie Coco ja noch nicht lange, und außerdem ist er fast noch ein Baby. Ich bin sicher, daß er sich mit der Zeit ans Autofahren gewöhnt.«
    »Das ist durchaus möglich.« Mr. Beresford klang leicht gereizt. »Aber ich denke an morgen. Ich muß mit meiner Frau und diesem Hund nach Portsmouth fahren, und ich habe es mit Pillen gegen Reisekrankheit versucht – aber vergeblich.«
    Dieses Gejaule einen ganzen Tag lang aushalten zu müssen, war eine grauenhafte Vorstellung, aber da kam mir der rettende Gedanke. Wie ein ältlicher Schutzengel erschien Mr. Barge vor meinem geistigen Auge. Welch ein unglaublicher Glücksfall!
    Ich lächelte zuversichtlich. »Gerade ist ein neues, sehr wirksames Mittel für solche Fälle auf den Markt gekommen«, sagte ich. »Und durch einen glücklichen Zufall ist es heute bei uns eingetroffen. Kommen Sie herein, ich gebe es Ihnen mit.«
    »Na, Gott sei Dank.« Mr. Beresford musterte die Packung. »Also eine halbe Stunde vor der Abfahrt eine Tablette, und dann ist alles in Ordnung?«
    »So ist es«, erwiderte ich fröhlich.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie haben mir einen Stein vom Herzen genommen.« Er ging zum Wagen zurück, und ich sah ihm zu, wie er den Motor anspringen ließ. Wie auf ein Signal richtete sich der kleine braune Kopf zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher