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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt
Autoren: James Herriot
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eine Tasse Kaffee, bevor Sie gehen, Mr. Herriot.« Seine Stimme klang freundlich – er schien es mir nicht nachzutragen, daß ich so kläglich versagt hatte.
    Ich folgte ihm in die Küche, und als ich an den Tisch trat, gab er mir einen Rippenstoß.
    »Da, schauen Sie mal.« Er hielt mir den Eimer entgegen, auf dessen Grund noch ein reichliches Maß Bier herumschwappte. »Hier haben wir was Besseres als Kaffee – reicht gut für zwei. Ich hole uns mal Gläser.«
    Er kramte im Schrank, als Opa eintrat. Er hängte Hut und Stock weg und rieb sich die Hände.
    »Kannst mir ruhig auch ein Glas holen, Will«, sagte er. »Vergiß nicht, daß ich es ausgeschenkt hab – und extra so, daß wir drei auch noch was haben.«
     
    Am nächsten Morgen war ich immer noch beschämt über mein gestriges Erlebnis, aber ich kam nicht dazu, darüber nachzugrübeln, denn noch vor dem Frühstück wurde ich zu einer Kuh mit Gebärmuttervorfall gerufen, und so etwas erfordert eine Konzentration, bei der man alles andere vergißt.
    Um acht Uhr morgens kam ich nach Darrowby zurück und hielt an der gerade geöffneten Tankstelle auf dem Marktplatz. Bob Cooper füllte mir den Tank auf, und ich dachte an nichts Besonderes, als ich aus der Ferne das Geheul vernahm.
    »Huuuh, huuuh, huuuh.«
    Zitternd vor Schreck sah ich mich auf dem Platz um. Kein Gefährt war zu sehen, aber der unheilvolle Klagelaut wurde immer lauter – und da bog auch schon Mr. Beresfords Wagen um die Kurve und kam auf mich zu.
    Ich stellte mich hinter die Zapfsäule, aber es nützte nichts; der Wagen bremste neben mir.
    »Huuuh, huuuh, huuuh.« Aus unmittelbarer Nähe war der Lärm unerträglich.
    Ich trat zögernd hervor und begegnete dem verquollenen Blick des Bankdirektors, der die Scheibe herunterließ. Er stellte den Motor ab. Coco unterbrach sein Geheul und begrüßte mich mit freundlichem Schwanzwedeln.
    Sein Herr dagegen sah gar nicht freundlich aus.
    »Guten Morgen, Mr. Herriot«, sagte er mit finsterer Miene.
    »Guten Morgen«, erwiderte ich heiter, zwang mich zu einem Lächeln und trat an den Wagen. »Und guten Morgen, Mrs. Beresford.«
    Die Dame blickte mich vernichtend an und wollte etwas sagen, aber ihr Mann fuhr fort: »Ich habe ihm auf Ihren Rat hin heute früh eine dieser Wunderpillen gegeben.«
    Sein Kinn zuckte leicht.
    »Ja...?«
    »Jawohl. Und es hat nicht geholfen, und ich gab ihm noch eine.« Er hielt inne. »Da die Wirkung die gleiche war, gab ich ihm eine dritte und eine vierte.«
    Ich schluckte. »Tatsächlich?«
    »Jawohl.« Seine Augen hatten einen kalten Glanz. »Und ich muß daraus schließen, daß diese Pillen völlig wirkungslos sind.«
    »Aber... äh... nun ja... es sieht wirklich so aus, als ob...« Er hob die Hand. »Ich kann mir jetzt keine Erklärungen anhören. Ich habe schon genug Zeit vertan, und ich habe eine Fahrt von fünfhundert Kilometern vor mir.«
    »Also, das tut mir wirklich furchtbar leid...« fing ich an, aber er drehte das Fenster wieder hoch. Er ließ den Motor an, und Coco stellte sich sofort in Positur. Ich sah dem Wagen nach, wie er über den Platz fuhr und in die Straße nach dem Süden einbog. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich Coco nicht mehr hörte.
    Eine plötzliche Schwäche überfiel mich, und ich lehnte mich an die Zapfsäule. Mr. Beresford tat mir von Herzen leid. Er war im Grunde ein netter Mensch, aber trotzdem war ich dem Schicksal dankbar, daß ich ihm nie wieder begegnen würde.
     
    Mr. Barge kam nur einmal im Vierteljahr zu uns, und so sah ich ihn erst Mitte Juni wieder am Ehrenplatz unserer Mittagstafel. Sein Silberhaar glänzte im sommerlichen Licht, und als die Mahlzeit beendet war, betupfte er sich den Mund mit der Serviette und ließ beiläufig seinen Katalog auf die Tischdecke gleiten.
    Siegfried ergriff das dicke Buch und fragte wie gewöhnlich: »Haben Sie etwas Neues, Mr. Barge?«
    »Mein lieber Mr. Farnon.« Das Lächeln des alten Herrn deutete an, daß die Torheiten der neuen Zeit ihm zwar unverständlich waren, aber durchaus ihren Reiz hatten. »Cargill und Söhne schicken mich nie zu Ihnen ohne eine Anzahl neuer Produkte mit verschiedenartigen Anwendungsmöglichkeiten und durchweg großer Wirksamkeit. Ich kann Ihnen viele unfehlbare Heilmittel empfehlen.«
    Ich muß eine Art von Würgelaut von mir gegeben haben, denn er sah mich fragend an. »Ja, Mr. Herriot, wollten Sie etwas sagen, junger Herr?«
    Ich schluckte einige Male, als mich die Wellen seines Wohlwollens überspülten, aber
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