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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt
Autoren: James Herriot
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Wagendecke.
    »Huuuh, huuh, huuh«, heulte Coco, und sein Herr warf mir einen verzweifelten Blick zu, als er abfuhr.
    Ich stand auf den Eingangsstufen und lauschte fassungslos. Viele Leute in Darrowby mochten Mr. Beresford nicht besonders, wahrscheinlich wegen seiner kühlen Art, aber meiner Meinung nach war er im Grunde kein schlechter Kerl, und mein Mitgefühl war ihm gewiß. Noch lange, nachdem der Wagen um die Kurve von Trengate gebogen war, hörte ich Coco jaulen.
     
    Am selben Abend gegen sieben rief mich Will Hollin an. »Gertrud ferkelt! Und sie will den Kleinen an den Kragen!«
    Das war eine böse Nachricht. Es kommt gelegentlich vor, daß die Säue ihre neugeborenen Ferkel anfallen, und wenn man sie ihnen nicht gleich wegnimmt, bringen sie ihre Jungen sogar um. Und natürlich ist dann an Säugen gar nicht zu denken.
    Dieses an sich schon vertrackte Problem war in Gertruds Fall besonders schlimm, denn sie war eine teure Zuchtsau, mit der Will Hollin seinen Schweinebestand verbessern wollte.
    »Wie viele hat sie geworfen?« fragte ich.
    »Vier – und auf jedes ist sie losgegangen.« Seine Stimme zitterte.
    Da fiel mir wieder das Relax ein, und ich dankte dem Himmel für Mr. Barge.
    Ich lächelte in den Hörer. »Ich habe ein neues Mittel, Mr. Hollin. Gerade eingetroffen. Ich komme sofort.«
    Bevor ich die Ampullen einsteckte, las ich schnell noch den Beipackzettel durch. Ja, da stand es. »Zehn Kubikzentimeter intramuskulär. Innerhalb von zwanzig Minuten beruhigt sich das Mutterschwein und nimmt die Ferkel an.«
    Es war nur eine kurze Fahrt bis zu Hollins Farm, aber als ich durch die Nacht raste, war ich dem Schicksal dankbar für die glückliche Fügung an diesem Tag. Erst am Morgen war das Relax eingetroffen – und schon konnte ich es beim zweiten dringenden Fall brauchen. Mr. Barge war ein Werkzeug der Vorsehung. Ein ehrfürchtiger Schauer lief mir über den Rücken.
    Ich konnte es kaum erwarten, der Sau die Spritze zu geben, und kletterte schwungvoll in die Box. Gertrud gefiel es gar nicht, mit einer langen Nadel in den Schenkel gestochen zu werden, und sie grunzte mich wütend an. Aber ich schaffte es gerade noch, ihr die zehn Kubikzentimeter zu verpassen, bevor sie mich in die Flucht schlug.
    »Jetzt müssen wir also zwanzig Minuten warten?« Will Hollin lehnte sich über die Boxwand und sah besorgt auf sein Schwein. Seine Farm war klein, er mußte hart arbeiten, und ich wußte, daß Gertruds Wurf für ihn eine wichtige Angelegenheit war.
    Ich wollte ihm gerade etwas Tröstliches sagen, als Gertrud wieder ein rosiges, zappelndes Ferkel warf. Will Hollin langte in die Box und schob das kleine Geschöpf sanft an das Gesäuge der auf der Seite liegenden Sau, aber sobald die kleine Nase die Zitze berührte, warf sich das große Schwein wutschnaubend in die Höhe und bleckte die gelben Zähne.
    Er griff rasch nach dem Ferkel und legte es zu den anderen in einen großen Pappkarton. »Jetzt sehen Sie, wie es ist, Mr. Herriot.«
    »Allerdings. Wie viele haben Sie jetzt da drinnen?«
    »Sechs. Und es sind wahre Prachtferkel.«
    Ich blickte in die Kiste. Sie hatten alle den langgestreckten Körperbau des guten Zuchtschweins.
    »Ja, das kann man wohl sagen. Und sie sieht aus, als ob sie noch eine Menge im Bauch hat.«
    Der Farmer nickte, und wir warteten.
    Die zwanzig Minuten schienen eine Ewigkeit zu dauern, und schließlich nahm ich ein paar Ferkel und stieg in die Box. Ich wollte sie eben an die Sau setzen, als eines schrie. Gertrud stürzte wütig brüllend auf mich los, und ich sprang mit einer Behendigkeit hinaus, die mich selbst erstaunte.
    »Sie sieht nicht sehr schläfrig aus«, bemerkte Mr. Hollin.
    »Nein... nein... eigentlich nicht. Vielleicht sollten wir noch ein bißchen warten.«
    Wir gaben ihr noch zehn Minuten und versuchten es noch einmal, aber mit dem gleichen Ergebnis. Ich gab ihr eine zweite Spritze und eine Stunde später eine dritte.
    Um neun hatte Gertrud fünfzehn herrliche Ferkel geworfen und mich und ihre Nachkommenschaft sechsmal aus der Box verjagt. Sie schien lebhafter und wilder als je zu sein.
    »So, jetzt ist sie leer«, sagte Mr. Hollin finster. »Sieht so aus, als ob sie fertig ist.« Er blickte traurig in den Pappkarton. »Und ich sitze da mit fünfzehn Ferkeln, die ich ohne Muttermilch großziehen muß. Wahrscheinlich gehen die mir alle ein.«
    »Ach was!« Die Stimme kam von der offenen Tür her. »Kein einziges geht ein.«
    Ich sah mich um. Es war Opa Hollin, und er
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