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Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Titel: Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
Autoren: Michael J. Sullivan
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Ritter- bis zur Dienerschaft, hatte ihn so genannt, und diese Vertraulichkeit hatte Archibald immer als entwürdigend empfunden. Sobald er zum Grafen ernannt war, hatte einer seiner ersten Erlasse gelautet, dass jeder in Chadwick, der ihn bei diesem Namen nannte, ausgepeitscht würde. Dem Markgrafen gegenüber hatte er jedoch nicht die Macht, diesen Erlass durchzusetzen, und er war sich sicher, dass Victor dies gezielt ausnutzte.
    »Bitte, versucht Euch zu beruhigen, Victor.«
    »Sagt Ihr mir nicht, ich solle mich beruhigen!« Die Stimme des Markgrafen hallte von den Mauern wider. Er baute sich direkt vor dem Jüngeren auf und starrte ihm wütend in die Augen. »Ihr schriebt, die Zukunft meiner Tochter Alenda stehe auf dem Spiel, und Ihr hättet Beweise dafür. Also, heraus damit – ist Alenda in Gefahr oder nicht?«
    »In Gefahr ist sie ohne Zweifel«, erwiderte der Graf ruhig, »aber nicht akut. Es gibt keine Entführungs- oder Mordpläne gegen sie, falls es das ist, was Ihr fürchtet.«
    »Warum dann diese Botschaft? Wenn Ihr glaubt, Ihr könntet mich wegen nichts und wieder nichts dazu treiben, meine Kutschpferde zuschanden zu fahren und mich auf dem ganzen Weg halbtot zu sorgen, dann gnade Euch –«
    Archibald unterbrach ihn mit erhobener Hand. »Ich versichere Euch, Victor, es war nicht wegen nichts und wieder nichts. Doch ehe wir dieses Gespräch weiterführen, lasst uns in mein Arbeitszimmer gehen, wo ich Euch die erwähntenBeweise vorlegen kann.«
    Victor funkelte ihn grimmig an, nickte aber.
    Die beiden Männer durchquerten die Halle und den großen Empfangssaal und nahmen dann eine Seitentür, die zum Wohntrakt des Schlosses führte. Während sie immer neuen Gängen folgten und diverse Treppen nahmen, veränderte sich das Ambiente beträchtlich. Im Bereich des Haupteingangs schmückten erlesene Tapisserien und Steinmetzarbeiten die Wände, und die Böden waren aus edlem Marmor. Doch abseits der Repräsentationsräume fehlte jede Pracht: Nacktes Mauerwerk bestimmte das Bild.
    Architektonisch und auch sonst hatte Schloss Ballentyne wenig zu bieten. Kein bedeutender Herrscher oder Held hatte hier je gewohnt. Keine Sage oder Gespenstergeschichte rankte sich darum, und auch militärisch hatte es nie eine wichtige Rolle gespielt. Es war vielmehr der Inbegriff des Mittelmäßigen und Belanglosen.
    Nach einer mehrminütigen Wanderung blieb Archibald vor einer mächtigen Eisentür stehen. Imposante Türbänder und Bolzen hielten sie an der einen Seite, aber eine Klinke oder ein Knauf war nicht zu sehen. Flankiert war die Tür von zwei bulligen, gepanzerten Wachen mit Hellebarden. Bei Archibalds Erscheinen pochte einer der beiden dreimal an die Eisenplatte. Ein winziges Guckfenster öffnete sich, und gleich darauf war das Zurückschnappen eines Schließriegels zu hören. Als die Tür aufging, quietschten die eisernen Angeln ohrenbetäubend.
    Victor hielt sich die Ohren zu. »Bei Mar! Lasst diese Dinger ölen!«
    »Niemals«, entgegnete Archibald. »Das hier ist der Eingang zum Grauen Turm – meinem persönlichen Arbeitszimmer. Es ist mein sicheres Refugium, und wenn diese Tür aufgeht,will ich es im ganzen Schloss hören. Nur so kann ich das.«
    Hinter der Tür empfing Bruce die beiden mit einer tiefen Verbeugung. Mit einer Laterne vorausleuchtend, führte er sie eine breite Wendeltreppe hinauf. Auf halber Höhe des Turms verlangsamte sich Victors Schritt, und sein Atem schien schwerer zu gehen.
    Höflich blieb Archibald einen Moment stehen. »Verzeiht den langen Aufstieg. Ich bemerke ihn kaum noch. Ich habe diese Treppe bestimmt schon tausendmal erklommen. Als mein Vater dem Haus noch vorstand, war dies der einzige Ort, wo ich allein sein konnte. Niemand wandte je die Zeit und Mühe auf, bis ganz nach oben zu steigen. Wenn er auch vielleicht mit dem majestätischen Kronturm von Ervanon nicht mithalten kann, dieser Turm ist jedenfalls der höchste meines Schlosses.«
    »Kommen dann nicht Leute einfach der Aussicht wegen herauf?«, sinnierte Victor.
    Der Graf schmunzelte. »Das könnte man meinen, ja, aber dieser Turm hat keine Fenster, deshalb ist er ja der perfekte Ort für mein Arbeitszimmer. Außerdem habe ich die Türen anbringen lassen, um zu schützen, was mir teuer ist.«
    Am oberen Ende der Treppe stießen sie auf eine weitere Tür. Archibald zog einen großen Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und bedeutete dem Markgrafen einzutreten. Bruce nahm seinen üblichen Posten vor dem Arbeitszimmer ein
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