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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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wie dem SEK waren.
    »Interessanter Werdegang«, warf Ehlers ein, der Frauke über den Rand
seiner Brille beobachtet hatte.
    »Mir fehlen Erfahrungen im Alltagsgeschäft«, sagte Frauke. »Unsere
Aufgabe ist das Ermitteln, das Erkennen von Zusammenhängen, das Spüren, das
Bauchgefühl, aber auch die zwingende Logik hinter den Verbrechen. All das
fehlt.«
    »Dafür steht Ihre Erfahrung und die der beiden anderen Kollegen«,
erwiderte der Kriminaloberrat.
    Frauke wollte etwas entgegnen, verzichtete aber darauf. Die
Entscheidung war ohne ihr Zutun gefallen. Sie hatte sich damit abzufinden und
blätterte stattdessen noch einmal in der Akte zurück. Schwarczer hatte dort
neben den Namen seiner Eltern auch deren Geburtsorte angeben. Sein Vater,
Schweißer von Beruf, war in Akmolinsk geboren, die Mutter stammte aus Almaty,
das früher unter dem Namen Alma-Ata Hauptstadt Kasachstans war.
    »Akmolinsk heißt heute Astana und ist die neue Hauptstadt
Kasachstans«, erklärte Ehlers. Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. »Man
sagt, dass es nach Ulan-Bator die zweitkälteste Hauptstadt der Welt sei.«
    »Wie kommen die Eltern nach Deutschland?«
    »In Kasachstan leben heute noch etwa dreihunderttausend Deutsche,
überwiegend ehemalige Russlanddeutsche, die nach 1920 in die kasachische Steppe umgesiedelt wurden. Manche machen wegen der
unwirtlichen Lebensverhältnisse von ihrem Recht Gebrauch und kehren nach
Deutschland zurück. Aber Herr Schwarczer ist hier geboren.«
    Ein Migrant der zweiten Generation, dachte Frauke. Vieles am neuen
Teammitglied schien ihr suspekt. Sie musste an den ermordeten Lars von Wedell
denken, der sich mit so immenser Begeisterung den neuen Aufgaben im Dezernat
für organisierte Kriminalität widmen wollte.
    Ehlers sah demonstrativ auf seine Armbanduhr und streckte die Hand
aus. »Falls Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit ansprechen. Würden
Sie mir jetzt bitte Herrn Putensenf hereinschicken?«
    Frauke stand auf, nickte dem Kriminaloberrat zu und kehrte in ihr
Büro zurück. Unterwegs sah sie in das Zimmer des Kriminalhauptmeisters.
    »Putensenf«, sagte sie betont. »Herr Ehlers erwartet Sie.«
    » Herr Putensenf heißt das«,
knurrte der Senior. Seine Angriffslust schien aber in Erwartung des Gesprächs
beim Vorgesetzten merklich gelitten zu haben.
    Frauke nahm erneut das Studium der Akten auf, bis sie von Madsack
unterbrochen wurde, der Schwarczer im Gefolge hatte.
    »Wenn es Ihnen recht ist, kümmere ich mich um das Administrative«,
sagte der schwergewichtige Hauptkommissar.
    Frauke nickte, während der Neue schweigend neben Madsack stand.
Frauke betrachtete ihn noch einmal und versuchte in seinen Gesichtszügen zu
lesen. Wenn man die Vita des Mannes kannte, konnte man mit ein wenig Phantasie
Ansätze mongolischer Züge erkennen.
    * * *
    Die Kunststoffleuchte über dem Spiegel hatte auf der Oberseite
braune Flecken, die von der jahrelangen Wärmeabstrahlung der Glühbirnen
herrührten. Die dunkelblauen Badezimmerfliesen entstammten einer Zeit, in der
dieses Dekor als chic galt. Sie mussten in den sechziger Jahren angebracht
worden sein.
    Kurt Buggenthin blinzelte in den Spiegel mit den blinden Stellen am
Rand, bleckte die Zähne, nickte sich zufrieden zu und füllte Brillantine in die
Handflächen, bevor er sich die Haare an den Kopf strich. »Mist«, fluchte er,
als er sah, dass seine brennende Zigarette einen Brandfleck auf dem
Kunststoffregal verursachte, einen weiteren zu den zahlreichen Vorgängern.
    Buggenthin nahm die Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger, sog
zweimal hastig daran und warf die Kippe in die Toilette, deren Deckel offen
stand.
    Seine Hand kreiste über die Sammlung von Töpfchen und Tiegeln auf
dem Regal, blieb über einer Spraydose mit Deodorant stehen, nahm das Gefäß auf
und sprühte jeweils einen kräftigen Stoß in die Achselhöhlen. Mit der flachen
Hand fuhr er sich über die Haare und wischte die fettige Hand auf seiner Hüfte
mit dem leichten Fettansatz ab, bevor er das Bad verließ und sich ins
Schlafzimmer zum Ankleiden begab. Achtlos warf er die Unterhose auf einen
Stapel schmutziger Wäsche in der Zimmerecke, zog aus einem Stapel
zusammengelegter Hosen eine neue heraus, betrachtete sie kritisch und entschied
sich für eine andere mit einem springenden Tiger neben dem Hosenschlitz.
Zwischen Unterhemd und Leinenhemd zündete er sich eine neue Zigarette an, nahm
die Hose mit dem breiten Schlag und den zahlreichen aufgenähten Taschen und
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