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Der Teufel von Herrenhausen

Der Teufel von Herrenhausen

Titel: Der Teufel von Herrenhausen
Autoren: Marion Griffiths-Karger
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zog
die Camel-Boots über. Nachdem er sich die Lederjacke übergeworfen hatte,
verstaute er Portemonnaie, Feuerzeug, Zigaretten und Brieftasche in den Tiefen
der Jacke, ließ den Schlüsselring um den Zeigefinger kreisen und griff sich mit
einem zufriedenen Grinsen die zweifarbige Tablettenschachtel. Er ließ sie in der
Seitentasche seiner Lederjacke verschwinden. Dann trank er in hastigen
Schlucken den großen Becher schwarzen Kaffee aus. Sein Arzt hatte ihm
empfohlen, ein wenig auf den Blutdruck zu achten und Genussmittel maßvoll
einzusetzen. Wenn man danach ginge, dachte Buggenthin, wäre vieles verboten,
was das Leben bereichert und Spaß macht. Mit einem letzten Blick in den
Garderobenspiegel verließ er seine Wohnung in der Georg-Böhm-Straße, setzte
sich in seinen elf Jahre alten Opel Astra und reihte sich auf der Bleckeder
Landstraße in den fließenden Verkehr ein. Der Weg führte bergab Richtung
Innenstadt. Er unterquerte die beiden Eisenbahnbrücken am Bahnhof und fand sich
kurz darauf in der Schlange der Linksabbieger wieder, die in die
Schießgrabenstraße einbiegen wollten.
    Mit der rechten Hand suchte er einen Sender, der dröhnende Popmusik
für junge Leute ausstrahlte. Da fühlte er sich zugehörig. Das war entscheidend,
nicht die dreiundfünfzig Jahre, die in seinem Ausweis standen.
    Buggenthin hatte kein schlechtes Gewissen, weil er sich am frühen
Morgen bei seinem Arbeitgeber krankgemeldet hatte. Man würde einen Tag auf
seine Anwesenheit im Lager des Versandzentrums verzichten können. Aber er
konnte, nein, er wollte nicht verzichten und fuhr sich mit der linken Hand über
seinen Schritt. Da konnte man stolz drauf sein. Nicht jeder Geschlechtsgenosse
war, seiner Meinung nach, so attraktiv von der Natur beschenkt worden wie er.
Das würde auch Elke anerkennen. Im Stillen freute er sich auf das verblüffte
Gesicht der pummeligen Bäckereiverkäuferin mit den frischen Wangen und den
Sommersprossen.
    An der roten Ampel schloss er für einen kurzen Moment die Augen und
stellte sich Elkes üppige Oberweite vor, die er bisher nur hinter der Bluse und
der Schürze hatte wahrnehmen dürfen, die die Angestellten der Kette trugen.
Natürlich glaubte er gesehen zu haben, wie sich unter der Berufskleidung die
aufragenden Brustwarzen abzeichneten, wenn er den Laden betrat. Elke war scharf
auf ihn. Ob sie wusste, dass er fünfzehn Jahre älter war? Sie wirkte schüchtern
und hatte ihm keine Fragen gestellt, sodass er von sich aus sein Alter nicht
preisgeben musste. Er war stolz, dass er noch so gut in Form war, dass Elke ihm
offenbar die zehn Jahre nicht anmerkte, die er dabei unterschlagen hatte. Kurt Buggenthin
war immer schon ein Frauentyp gewesen. Und wenn es doch nicht so viele gewesen
waren, wie er in seinen Berichten vorgab, so lag es nur an der mangelnden
Freizeit, sagte er sich. Aber heute hatte er sich die Stunden freigenommen,
nachdem ihn Elke, die heute ihren freien Tag hatte, endlich zu sich zum
Frühstück eingeladen hatte.
    Ihm ging es viel zu langsam voran. Endlos schien die Schlange zu
sein, die sich die Willy-Brandt-Straße entlangquälte, an der abseits des
Zentrums gelegenen Post vorbei, am Kreisel beim Spaßbad SaLü, der Salztherme
Lüneburg, in die Soltauer Straße abbog und bedächtig durch die ruhigere
Vorstadt kroch. Hinter der Häuserfront zur Linken verbarg sich der Lüneburger
Kurpark.
    Kurz darauf hatte Buggenthin sein Ziel erreicht. Den Hasenburger
Berg hatte Elke ihm als Anschrift genannt. Die Dreißigerzone und das
Einbahnstraßenschild bekundeten die Ruhe der Wohnstraße mit dem leichten
Linksbogen. Die älteren uniformen Rotklinkerhäuser im einheitlichen Stil
erinnerten Buggenthin an Wohnanlagen, wie sie früher oft von
Baugenossenschaften errichtet wurden. Doch Schlichtheit schloss Behaglichkeit
nicht unbedingt aus.
    Langsam rollte er an den Häusern vorbei, bis er die gesuchte
Hausnummer fand und seinen Opel Astra auf dem Parkstreifen abstellte. Er ließ
seinen Blick an der Fassade entlanggleiten. Die Fenster waren mit sauberen
Gardinen versehen, hinter vielen schmückten Blumentöpfe die Fensterbänke.
    Unweit ihrer Wohnung hatte Buggenthin die Frau kennengelernt, in der
Bäckereifiliale an der Soltauer Straße Ecke Heidkamp.
    Buggenthin öffnete die schlichte Holztür mit den kleinformatigen
Glasscheiben und erklomm die Treppe.
    »Hallo, Elkeschatz«, stieß Kurt Buggenthin kurzatmig hervor, als er
die zweite Etage, das Dachgeschoss, erreichte, wo Elke im Türspalt auf
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