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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Reben, viel Rasen, der sonst in dieser Gegend spärlich ist, ein kühner, hoher Aquädukt, weithin sichtbar. Inmitten dieser schönen Landschaft lag unbeschreiblich häßlich unsere Ziegelei.
    Das weite, niedrige Hauptgebäude war umgeben von kahlen, weißen Höfen. Ein paar kleine Nebengebäude dienten als Schreibstube, Wachstube, Krankensaal, Küche, Remise. Das Gesamtareal war auf zwei Seiten von einer Ziegelmauer, auf den beiden andern von einer Böschung abgeschlossen, alles war ausgiebig mit Stacheldraht und mit Wachsoldaten gesichert. An dem Stacheldraht des rückwärtigen Hofes hatten gewöhnlich Internierte ihre Wäsche aufgehängt, bunt flatterte sie im Wind, vor dem Stacheldraht schlenderten gelangweilt die Wachsoldaten auf und ab, und es war ein seltsames Gefühl, dort hinauszublicken in die liebliche, gewellte, sanft grüne, so nahe und unerreichbare Landschaft.
    Schaute man dagegen vom Hof aus durch eines der großen Tore ins Hauptgebäude, so sah man nichts als ein riesiges, schwarzes Loch. Immer von neuem, wenn man dieses Hauptgebäude betrat, mußte man sich an die Dunkelheit gewöhnen. Vor allem im Erdgeschoß stolperte man immerzu. Düstere Korridore, welche an den für die Ziegelöfen bestimmten Nischen entlang führten, machten hier den Durchgang an den Strohlagern vorbei besonders eng. Das Ganze hatte etwas Katakombenartiges.
    Eine primitive Holzstiege, schmal, schmutzig, gebrechlich, führte hinauf in den ersten Stock. Dort waren zwar die Säle weit; doch die Fenster waren mit Holz verschalt, und der kleine Teil, der unverschalt geblieben, war dunkelblau gestrichen, wegen der Fliegergefahr, damit kein Licht hinausdringe. Es lag also auch dieser erste Stock immer im Halbdunkel, und an Lesen war nicht zu denken. Des Abends gab es ein paar schwache Glühbirnen, welche die Dunkelheit mehr unterstrichen als behoben.
    Da die Höfe die meiste Zeit des Tages in greller Sonne lagen, wirkte das Innere des Gebäudes zwiefach dunkel. Überdies war es erfüllt von Ziegelstaub. Verdickter, festgetretener Ziegelstaub machte den Boden uneben, zerbröckelnde, sich in Staub auflösende Ziegel lagen in Massen herum, Staub, Staub war überall.
    In diesem Innern des Gebäudes hatten wir einen großen Teil unserer Zeit zuzubringen. Hier aßen und schliefen wir, auf diese Räume waren wir angewiesen, wenn es regnete oder wenn, was in dieser Gegend häufig ist, der Wind die Höfe zu einer einzigen Staubwolke machte. Und selbst bei stillem, strahlendem Wetter flüchteten viele in das Gebäude, da die Höfe schattenlos waren und die sommerliche Sonne der Provence auf die Dauer unerträglich ist. Einen sehr großen Teil unserer Zeit also verbrachten wir in Staub und Dunkelheit.
    Die Räume des ersten Stockes waren eingeengt durch Lattengestelle, welche, für die Ziegel bestimmt, die Wände entlang liefen und, Nischen bildend, in den Raum hineinragten. Die Nischen waren indes zu eng, als daß sie zum Beispiel als Raum zum Schlafen hätten benutzt werden können. Man konnte das Lattenwerk zur Unterbringung von Gegenständen verwenden. Doch nur mit Vorsicht, kleinere Gegenstände fielen zwischen den Latten durch, und zur Aufstellung von größeren waren die einzelnen Schichten zu niedrig.
    Im übrigen war der Raum völlig kahl. Man gab uns ein wenig Stroh und überließ uns alles weitere. Sitzgelegenheiten gab es nicht, keine Bank, keinen Tisch, nur zerbröckelnde Ziegel. Aus diesen versuchte man sich Sitze zu bauen, Tische, doch sie brachen immer wieder zusammen.
    Wiewohl also dieser erster Stock nichts anderes war als ein weites, kahles Loch, freute ich mich, wieder hier untergebracht zu sein; denn hier hatte ich »gewohnt«, als ich das erste Mal interniert gewesen war, hier kannte ich jede Fensterverschalung, jede Latte, jeden Ziegel. Es ist seltsam, wie rasch der Mensch eine Bindung herstellt zwischen sich und seinem Rahmen, er teilt dem Unbelebten, mit dem er in Berührung kommt, sogleich etwas vom eigenen Wesen mit, so daß es fortan zu ihm gehört und zu einem Teil seines Wesens wird. Der dunkle, niedrige Raum mit seinem Staub und Dreck und Stroh hatte, da ich einmal in ihm gelebt, seine Schrecken für mich verloren, Beziehungen waren entstanden zwischen den Dingen und mir; dieser Pfeiler, an dem ich mich immer wieder stieß, war mir feind, jene breite ausgebuchtete Ecke mir beinahe freund geworden.
    Die jungen Menschen, die mir vom ersten Augenblick an beigestanden waren, halfen mir, wo sie konnten. Sie suchten die
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