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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Vorbereitungen.
    An Gepäck mitnehmen durfte man dreißig Kilogramm. Nach den Erfahrungen, die ich während meiner ersten Internierung gesammelt hatte, mußte das Gepäck vor allem gut tragbar sein. Man mußte gewärtigen, es manchmal auf weite Strecken selber schleppen zu müssen, in Reih und Glied marschierend; so war es mir das letzte Mal ergangen. Eifrige Erörterungen begannen, was man am besten mitnehme. Das Wichtigste waren Decken für die Nacht, sehr wichtig auch war ein kleiner Klappstuhl, denn Sitzgelegenheit gibt es nicht. An Kleidern und Wäsche nahm man am besten das Derbste mit, was man besaß; denn alles zerlumpte sehr rasch. Bei der Mitnahme von Büchern spielten Format und Gewicht eine beinahe größere Rolle als der Inhalt, handliche Dünndruckbände sind da das praktischste. Ich entschied mich für einen Dünndruckband Balzac, der auf kleinstem Umfang sechs Romane enthielt.
    Am nächsten Tag wurde ich telefonisch auf das Bürgermeisteramt beschieden, wo mir für die Reise ins Lager ein Passierschein sollte ausgestellt werden. Es war nämlich uns Nichtfranzosen verboten, uns von unsern Wohnorten ohne besonderen Geleitschein wegzubewegen; auch für die Reise ins Konzentrationslager bedurfte es eines solchen besonderen Erlaubnisscheines.
    Der Beamte auf dem Bürgermeisteramt, ein Mann, mit dem ich in den Jahren meines Aufenthalts in Sanary sehr oft zu tun gehabt hatte, war gefällig, ja beflissen. Doch zeigte er, wie die meisten Einheimischen, eine gewisse Verlegenheit, eine Mischung von Neugier, von echtem Bedauern und von Scheu, sich mit Leuten, die von der Regierung eingesperrt werden, also doch anrüchig sind, zu tief einzulassen. Geschäftig betrieb er die Beschaffung des Passierscheines. Während man sonst auf die Ausstellung eines solchen Passierscheines etwa zum Zweck eines Besuches beim Zahnarzt in der acht Meilen entfernten Stadt manchmal vierzehn Tage warten mußte, erklärte sich diesmal der Sergeant der nächstgelegenen Gendarmeriestation telefonisch ohne weiteres bereit, sogleich herüberzukommen und die notwendige Schreiberei vorzunehmen.
    Es waren noch drei andere Deutsche aus Sanary herbeordert worden. Wir warteten in einem Raum im Erdgeschoß des Bürgermeisteramts, der gewöhnlich als provisorischer Gewahrsam diente für Verbrecher, bis die Polizei käme, sie abzuholen. Auch der Veterinärarzt benutzte den Raum, wenn er allwöchentlich kam, die kranken Kleintiere zu behandeln. Jetzt also warteten wir hier. Wir waren unser viere, die morgen nach Les Milles abzugehen hatten: jener Maler R., mein Nachbar, dann sein Sohn, der gerade siebzehn geworden war und also auch daran glauben mußte, dann ich, schließlich noch der Schriftsteller K., ein Deutscher, der in Spanien auf Seiten der Republik gefochten hatte.
    Wir standen und warteten. Wir hatten es uns alle anders vorgestellt, als wir nach Frankreich gekommen waren. Liberté, Egalité, Fraternité stand riesig über dem Portal des Bürgermeisteramts, man hatte uns gefeiert, als wir, vor Jahren, gekommen waren, die Zeitungen hatten herzliche, respektvolle Begrüßungsartikel geschrieben, die Behörden hatten erklärt, es sei eine Ehre für Frankreich, uns gastlich aufzunehmen, der Präsident der Republik hatte mich empfangen. Jetzt also sperrte man uns ein. Wir nahmen es hin mit einer Art bittern Gleichmuts, diese Jahre hatten uns die Unbeständigkeit menschlichen Verhaltens sehr anschaulich vor Augen geführt, wir ergingen uns nicht in Klagen, wir besprachen Sachliches, wie man am besten nach Les Milles gelange, wieviel Geld man mitnehmen solle, und ähnliches.
    Dann endlich kam der Gendarm. Er hatte unterwegs einen Vagabunden aufgegriffen. Der Vagabund war betrunken, der Gendarm selber war betrunken, er war an diesem Tage befördert worden, das hatte er, wie er uns erzählte, feiern müssen. Der Vagabund und der Gendarm schlugen sich auf die Schulter, und der Gendarm schlug uns auf die Schulter und erklärte, er habe gar nichts gegen uns. Der Raum roch stark nach Schnaps.
    Die Formulare waren umständlich wie alle Amtspapiere in Frankreich; es mußte darauf vermerkt sein der Name des Vaters und der Mutter und viele ähnliche Details, ohne das ließen einen die Franzosen nicht passieren. Der betrunkene Gendarm kam mit dem Ausfüllen der Papiere nicht zu Rande. Aus unsern Ausweisen hatte er ersehen, daß sich unter uns Vater und Sohn befanden. So fragte er dann mich, den Fünfundfünfzigjäh rigen, ob ich der Sohn des
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