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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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überlegen.»
    «Solltest du Bedenken haben?»
    «Du hast doch selbst erklärt, daß dieser Überfall noch nicht erwiesen ist. Sobald dir genauere Erkenntnisse vorliegen, lasse sie mich wissen.»
    «Majestät kann auf mich zählen.»
    Es herrschte starke Strömung, der Wind stand günstig, und das Schiff kam schnell voran. Chenars Worte stimmten Ramses nachdenklich. Nahm sein Bruder das ihm übertragene Amt wirklich ernst? Er war imstande, diesen hethitischen Überfall erfunden zu haben, um sich selbst zur Geltung zu bringen und seine Fähigkeiten als Oberster Gesandter unter Beweis zu stellen.
    Mittelsyrien… eine Region, die weder unter ägyptischer noch unter hethitischer Oberhoheit stand, da beide Reiche sich versagten, dort ihre Truppen aufmarschieren zu lassen, und sich mit mehr oder minder zuverlässigen Spitzeln vor Ort begnügten. Seit Sethos darauf verzichtet hatte, Kadesch einzunehmen, fand ein verdeckter Kleinkrieg statt, der beiden Lagern Genugtuung verschaffte.
    Vielleicht hatte die Gründung von Pi-Ramses, dessen Lage die Verteidigungsbereitschaft Ägyptens erkennen ließ, die kriegerischen Gelüste der Hethiter geweckt, die es beunruhigte, daß der junge Pharao den Ländern im Osten und damit auch ihrem Reich so offenkundige Aufmerksamkeit schenkte. Ein einziger Mann vermochte Ramses die Wahrheit zu enthüllen: sein Freund Acha, der Leiter der Geheimdienste. Die amtlichen Berichte, die zu Chenar gelangten, gaben nur die Oberfläche und den äußeren Anschein der Lage wieder. Acha würde dank seines Netzes von Kundschaftern die wahren Absichten des Feindes kennen.
    Ein Schiffsjunge war zur Spitze des Mastes hinaufgeklettert und konnte seine Freude nicht mehr zügeln.
    «Da vorne ist der Hafen, die Stadt… da ist Pi-Ramses!»
     

SIEBENUNDFÜNFZIG
     
     
    ALLEIN AUF EINEM vergoldeten Wagen fuhr der Sohn des Lichts durch die Hauptstraße von Pi-Ramses. Am hellen Mittag glich er der Sonne, deren Leuchten seine Stadt zum Leben erweckte. Neben den mit Federbüschen geschmückten Pferden schritt der Löwe erhobenen Hauptes einher.
    Wie gelähmt vor Staunen über die Macht, die dieser Herrscher ausstrahlte, und über die Magie, die es ihm gestattete, eine riesige Raubkatze als Leibwächter zu haben, verharrte die Menge eine Weile in Schweigen. Dann ertönte ein erster Ausruf: «Lang lebe Ramses!» Ihm folgten zehn, Hunderte, Tausende… Alsbald brandete entlang der Strecke, die der König gleichbleibend langsam und majestätisch zurücklegte, unbeschreiblicher Jubel auf.
    Adlige, Handwerker und Bauern trugen Festtagsgewänder. Ihre Haare glänzten dank süßen Nußöls, die schönsten Perücken zierten die Köpfe der Frauen, und sowohl Kinder als auch Diener hatten die Hände voller Blumen und Blätter, die sie vor dem Wagen des Königs auf den Weg streuten.
    Ein Gastmahl unter freiem Himmel wurde vorbereitet. Der Vorsteher des neuen Palastes hatte nicht nur tausend lange Brote aus feinem Mehl, zweitausend runde Brotlaibe und zehntausend Kuchen bestellt, sondern auch gedörrtes Fleisch zuhauf, Milch, Karobensaft, Weintrauben, Feigen und Granatäpfel. Außerdem sollten gebratene Gänse, Wildbret, Fische, Gurken und Lauch gereicht werden, dazu Hunderte Krüge Wein aus den königlichen Kellern und Bier, das man eigens dafür gebraut hatte.
    An diesem Tag, an dem die Geburt der neuen Hauptstadt gefeiert wurde, lud der Pharao das Volk an seine Tafel.
    Den alten Leuten würde man, nachdem sie auf bequemen Stühlen im Schatten von Sykomoren und Perseas Platz genommen hatten, ungeachtet ihres Standes und ihrer Herkunft die Speisen zuerst auftragen. Hunde, Katzen und zahme Affen bekamen doppelt soviel Futter wie gewöhnlich, und es gab nicht ein kleines Mädchen, dem man nicht ein neues, farbenprächtiges Gewand angezogen hätte, nicht ein Pferd, das nicht mit bunten Bändern und Schleifen geschmückt gewesen wäre, und nicht einen Esel, dem man nicht einen Kranz aus Blumen um den Hals gehängt hätte.
    Es waren auch Bittschriften vorbereitet worden. Einer bat um eine Unterkunft, ein anderer um eine Anstellung, der nächste um ein Stück Land oder um eine Kuh. Ameni sammelte sie und prüfte sie wohlwollend, denn diese glückliche Zeit gebot Großmut.
    Nicht zuletzt verliehen auch die Hebräer ihrer Freude Ausdruck. Der großen Anstrengung sollte nun eine lange, den Vorschriften gemäß entlohnte Ruhepause folgen, und sie konnten sich rühmen, mit eigenen Händen die neue Hauptstadt des Königreiches Ägypten
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